Der Brief für den König

Ein Junge, Tiuri ist sein Name1, liegt nachts in seiner Kammer. Er mag so ungefähr 14 Jahre alt sein. Morgen soll er zum Ritter geschlagen werden. Eine Nacht noch, dann ist es soweit. In dieser Nacht darf er nicht schlafen und niemandem öffnen, egal was passiert.

Bild aus dem Roman, gemalt von Tonke Draght

Doch plötzlich klopft es ans Fenster seiner Kammer. Ganz leise, fast unhörbar. Für kurze Zeit hofft er, er habe sich getäuscht. Aber da klopft es wieder. Diesmal lauter und energischer. Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Sollte er an die Tür gehen? Was, wenn es nur seine Freunde sind, die ihn auf eine Probe stellen wollen?

Der Junge zittert am ganzen Leib. Aber irgendetwas drängt ihn zur Tür zu gehen und so erhebt er sich von seinem Platz und geht langsam zur Tür. Vorsichtig öffnet er sie.

Vor ihm steht ein Mann, sein Gesicht ist in der Dunkelheit nicht zu sehen. Sein Kopf ist von einer Kapuze umhüllt. Drängend spricht er mit dem Jungen. Er hat einen Brief in der Hand. Einen Brief, der zum König gebracht werden muss. Es ist keine Zeit zu verlieren.

Der Junge kann kaum antworten, da ist der Mann wieder in der Nacht verschwunden. Tiuri hält den Brief in der Hand. Er weiß, dass er den Auftrag annehmen muss. Eine Wegbeschreibung zum Schloss des Königs hat ihm der Mann gegeben. Tiuri hat sich jedes Wort eingeprägt.

Er sattelt sein Pferd und reitet in die Nacht. Es wird eine lange Reise werden. Der Weg ist weit und voller Gefahren. Immer wieder wird Tiuri von roten Reitern, Rittern mit roten Schildern und Rüstungen, verfolgt, die verhindern wollen, dass der König den Brief erhält. Aber auch Ritter mit weißen Schildern trifft er auf seiner Reise. Ritter, die ihm helfen den Weg wieder zu finden, wenn er ihn verloren hat.

Und doch, als Tiuri das Schloss vor sich sieht, ist er sich nicht sicher, ob er den Weg gefunden hat. Zu oft ist er durch die Nacht geritten ohne wirklich zu wissen wo er war. Und am Ende war er sich nicht mehr sicher, welche Worte der Fremde für die Beschreibung des Weges gewählt hatte. Manches war in seiner Erinnerung verloren.

Am Tor des Schlosses wird Tiuri von einigen Knechten in Empfang genommen. Die Knechte sind freundlich aber Tiuri hat zu viel erlebt um ihnen zu vertrauen. Der Burghof kommt ihm vor wie eine Gefängnis, auch wenn überall Fahnen wehen. Er hat nach dem König gefragt und man führt ihn zu einem großen Gebäude. Tatsächlich, da weht die Fahne des Königs. Und innen wird Tiuri von den Knechten nach oben geführt und er wird für eine Audienz beim König angemeldet.

Als Tiuri vor dem Königssaal wartet, kommen alle Zweifel über ihn. Der Fremde in der Nacht, hatte er sich alles nur eingebildet? Die roten Reiter, hatten sie ihn in diesem Schloss in eine Falle gelockt? War alles umsonst, der Brief ein wertloses Papier von einem wirren Fremden, der sich einen Spaß erlaubt hatte?

Dann öffnen sich die Tore des Thronsaals und heraus tritt der König. Sofort fallen alle Zweifel von Tiuri ab. Der König tritt ihm mit aller Majestät entgegen. Aber er ist freundlich und empfängt Tiuri herzlich. Er bricht das Siegel des Briefes. Dann liest er den Brief.

Nein Tirui hatte sich nicht geirrt, die Reise war nicht umsonst, alle Gefahren und Mühe den Auftrag wert.

Und dann gibt der König Tiuri einen neuen Auftrag. Der Auftrag, der in dem Brief enthalten war. Aber e stellt ihm Reiter zur Seite. Reiter mit weißen Schilden.

Solange wir vor dem Thronsaal stehen, bleiben die Zweifel auch wenn wir lange nach dem König gesucht haben. Vieles spricht dafür, dass unsere Suche ans Ziel gelangt ist, dass Gott existiert. Die Fahnen, die Knechte, die Burg. Aber all die Argumente, die wir in unserem Herzen hin und her wälzen, lassen doch einen Rest an Zweifeln übrig. Erst, wenn wir dem König begegnen, wenn wir ihn erfahren haben, werden unsere Zweifel verstummen. Ohne die Begegnung mit dem König kommen wir nicht ans Ziel.

Und ohne die Begegnung bekommen wir nicht den Auftrag, den Gott als Sehnsucht in unser Herz gelegt hat und die uns hat aufbrechen lassen auf eine Reise, die uns wegführt von allem, was unser Leben bisher bestimmt hat.

  1. Nach dem Roman von Tonke Drahgt. Das Ende habe ich leicht verändert, um den Sinn der Parabel besser herausstellen zu können.. ↩︎