Die Selbstbetrachtungen des römischen Kaisers Mark Aurel sind die letzte bedeutende Hinterlassenschaft aus der philosophischen Schule der Stoa. Entstanden sind sie am Ende der Herrschaft Mark Aurels, zwischen 170 und 180.
Der bedeutendste Historiker der frühen Neuzeit, der Brite Edward Gibbon, ging in seiner «Geschichte vom Verfall und Untergang des Römischen Reichs» so weit, das 2. Jahrhundert im Römischen Reich als «glücklichste Epoche» der ganzen Menschheitsgeschichte zu preisen. Die Einschätzung trifft für Angehörige der römischen Aristokratie vielleicht sogar zu, aber sicher nicht für Sklaven, Kriegsopfer und überhaupt die meisten Bewohner des Imperiums, insbesondere Frauen.
Gibbon orientierte sich nicht zuletzt an den «Selbstbetrachtungen» von Marcus Aurelius. Der «Philosophenkaiser» und überzeugte Stoiker formulierte darin Gedanken, die auch bei Christen heftiges Kopfnicken auslösten, etwa: «Wer Unrecht nicht verbietet, wenn er kann, der befiehlt es.»
Allerdings ist es bei Marcus Aurelius wie mit seinem großen Vorbild Seneca. Die Taten stehen zum Teil in heftigem Widerspruch zu den Worten. Wer wissen will, wie es tatsächlich um die humanitäre Situation im Imperium bestellt war, muss sich nur die dreißig Meter hohe Marcus-Aurelius-Siegessäule anschauen, die noch immer in Rom steht. Auf dem Relief, das sich um die Säule nach oben schlängelt, sieht man zum Tode Verurteilte, die vor einem Henker Schlange stehen. Die abgeschlagenen Köpfe werden dem Kaiser Marcus Aurelius gebracht.
Auf anderen Bildern verschleppen Soldaten Frauen, um sie zu vergewaltigen, während deren Kinder sich an die Mütter klammern. Die Aussage der Bilder ist eindeutig: Wer sich Rom zum Feind gemacht hat, der hat nichts zu lachen.