Jane Austen und die Frage, warum in ihren Büchern nie geküsst wird.

Sie wurde als siebtes von acht Kindern eines englischen Pfarrers und einer adeligen Frau geboren, wuchs auf mit sechs Brüdern und den fremden Jungen, die ihre Eltern in einem Privat-Internat betreuten. Sie war also bestens vertraut mit dem Hauptthema ihrer Bücher: Männer – und das Bemühen von Frauen, den Richtigen zu finden.

Sie selbst fand ihren Mann nie. Sie starb als 41-jährige Singlefrau, die ihre sechs Romane im Wohnzimmer zwischen nähenden Frauen, kochenden Hausgehilfinnen und schreienden Babys verfasst hatte. In der Todesanzeige formulierten ihre Brüder:

«Ihr Verhalten war freundlich, ihre Gefühle feurig, ihre Offenherzigkeit unübertroffen, sie lebte und starb, wie es sich für eine demütige Christin gebührt.«Sie hat dieses Leben verlassen, gestärkt durch die Geduld und die Hoffnung einer Christin

Mit 33 Jahren schrieb sie naserümpfend über die erstarkende evangelikale Bewegung: «Ich mag die Evangelikalen nicht!»

Ihre Einstellung änderte sich in den folgenden Jahren unter dem Eindruck der Erfolge, den die Frommen im Lande im Kampf gegen die Sklaverei erzielten. In einem Brief an ihre Nichte kam sie zu dem Schluss: «Ich finde, es spricht nichts dagegen, dass wir alle Evangelikale sein sollten. Ich bin zu dem Eindruck gekommen, dass diejenigen, die sich mit ganzem Verstand und ganzem Gefühl darauf einlassen, die glücklichsten und sichersten sind.»

Wie erklärt es sich da, dass in ihren Romanen nie gebetet wird, sich niemand bekehrt und das einzige regelmäßige Glaubensritual der Kirchgang ist? Vielleicht aus demselben Grund, aus dem bei Jane Austen nie geküsst wird, obwohl es unentwegt um romantische Beziehungen geht. Der Glaube war im Haus der Austens und den Kreisen, in denen sie verkehrte, eine Selbstverständlichkeit. Jane Austens Bücher lassen sich lesen als Plädoyers für kluge Sehnsucht und gesunde Skepsis gegenüber sich selbst sowie den Objekten der eigenen Begierde. Sie vermitteln zwar kein Heilswissen, aber dafür Weltklugheit und Lebensfreude – wie das biblische Buch der «Sprüche» und das «Hohelied».

«Sie hatte einen Widerwillen gegen alles Obszöne», sagte ihr Bruder über sie.