Josephus über Alexander der Große in Jerusalem

Wir schreiben das Jahr 330 v.Chr., Alexander, 26 jahre alt und mächtigster Mann der Welt ist zu Gast in Jerusalem. Dort zeigt ihm Jaddua, der Hohepriester, die Schriftrolle des Propheten Daniel aus der Bibel. Der Prophet sagte 200 Jahre zuvor etwas voraus, was sich nun in Alexander erfüllte. Die ganze Begebenheit wird in Flavius Josephus´Werk “Antiquitates Judaicae” beschrieben. Alexander erkannte sich selbst in Daniels Worten: “

 Alexander zog nun nach Syrien, nahm Damaskus ein, bemächtigte sich Sidons, belagerte Tyrus und sandte ein Schreiben an den Hohepriester der Juden, worin er verlangte, dieser solle ihm Hilfstruppen schicken, seinem Heere Lebensmittel liefern und alle Abgaben, die er früher dem Darius geleistet, nunmehr ihm entrichten. Dann werde er die Freundschaft der Macedonier gewinnen und seine Bereitwilligkeit nicht zu bereuen haben. 318 Da aber der Hohepriester den Überbringern des Schreibens zur Antwort gab, er habe sich dem Darius gegenüber eidlich verpflichtet, nie die Waffen gegen ihn zu ergreifen, und er werde, so lange Darius am Leben sei, diesen Eid nicht brechen, geriet Alexander in Zorn. 319 Gleichwohl beschloss er, von Tyrus, dessen Fall jeden Augenblick erfolgen konnte, nicht abzuziehen, liess aber dem Hohepriester drohen, er werde, sobald Tyrus erobert sei, sein Heer gegen ihn führen und an seinem Beispiele den anderen zeigen, wem sie ihre Eide zu halten hätten. 320 Dann verschärfte er die Belagerung und nahm endlich Tyrus ein, ordnete die Verwaltung der Stadt und zog nach Gaza, dessen unter dem Befehle von Babemeses stehende Besatzung er belagerte.

[53] (4.) 321 Jetzt hielt Sanaballetes den richtigen Zeitpunkt für gekommen, sein Vorhaben auszuführen. Er fiel also von Darius ab, bot achttausend seiner Untergebenen auf, stiess mit denselben zu Alexander, der sich gerade zur Belagerung von Tyrus anschickte, und erklärte ihm, er wolle die von ihm verwalteten Landesteile übergeben und Alexander gern anstatt des Darius als seinen Herrn anerkennen. 322 Da nun der König ihn gnädig aufnahm, fasste Sanaballetes Mut und sprach von seinem eigentlichen Vorhaben, indem er berichtete, er habe einen Schwiegersohn Manasses, den Bruder des jüdischen Hohepriesters Jaddus, und es befänden sich bei ihm noch viele Juden, die gern in seiner Provinz einen Tempel bauen möchten. 323 Das könne aber dem Könige nur von Vorteil sein, da so die Kräfte der Juden zersplittert würden, während dieses Volk, wenn es zusammenhalte und einig sei, den Königen viel zu schaffen machen könne, wie es dies schon den Königen der Assyrier gegenüber bewiesen habe. 324 Als Alexander darauf seine Einwilligung gab, baute Sanaballetes den Tempel in aller Eile, setzte Manasses als Priester ein und glaubte dadurch den Kindern seiner Tochter eine besondere Ehre verschafft zu haben. 325 Inzwischen verflossen sieben Monate bei der Belagerung von Tyrus und zwei Monate bei der von Gaza. Da starb Sanaballetes, und Alexander zog nach der Eroberung von Gaza sogleich auf Jerusalem zu. 326 Als der Hohepriester Jaddus davon Kunde erhielt, befiel ihn grosse Angst und arge Verlegenheit, wie er den Macedoniern entgegen treten sollte, da der König wegen seiner früheren Absage so sehr gegen ihn erzürnt war. Er schrieb daher dem Volke Gebete vor, brachte Opfer dar und flehte zu Gott, dass er sein Volk beschützen und aus der drohenden Gefahr erretten möge. 327 Als er nun nach dem Opfer sich zur Nachtruhe begeben hatte, ermutigte ihn Gott im Traume, er solle nur getrost sein, die Stadt bekränzen und die Thore öffnen lassen. Die Einwohner sollten alsdann in weissen Gewändern, [54] er selbst aber mit den Priestern in feierlichem Ornat dem Könige entgegenziehen und nichts Schlimmes befürchten, da er für sie sorgen werde. 328 Als Jaddus vom Schlafe erwacht war, freute er sich sehr und teilte in seiner Freude allen mit, was ihm im Schlafe aufgetragen worden war. Dann bereitete er sich auf die Ankunft des Königs vor.

(5.) 329 Als er nun vernahm, der König sei nicht mehr weit von der Stadt entfernt, schritt er mit den Priestern und dem gesamten Volke in feierlichem, bei anderen Völkerschaften unbekannten Aufzuge aus der Stadt bis zu einem Orte, der Sapha heisst. Dieser Name bedeutet auf Griechisch so viel als „Warte“; man kann nämlich von hier aus ganz Jerusalem nebst dem Tempel überblicken. 330 Die dem Könige folgenden Phoeniker und Chaldäer glaubten nun bestimmt, Alexander werde in seinem Zorn ihnen erlauben, die Stadt zu plündern und den Hohepriester umzubringen. Doch es geschah das gerade Gegenteil. 331 Sobald nämlich Alexander von fern die Menge in ihren weissen Kleidern, die Priester in ihren Byssusgewändern und den Hohepriester mit dem Kleide aus Hyacinth und Gold, dem Kopfbunde und der goldenen Platte, auf welcher der Name Gottes eingraviert war, erblickte, eilte er allein herbei, bewies dem Namen seine Verehrung und begrüsste den Hohepriester zuerst. 332 Und da nun auch die Juden insgesamt wie aus einem Munde den Alexander bewillkommten und umringten, gerieten die Könige von Syrien und die übrigen in Erstaunen und glaubten, der König sei seiner Sinne nicht mehr mächtig. 333 Parmenion allein fasste sich ein Herz, schritt auf Alexander zu und fragte ihn, weshalb er, den alle Welt verehre, sich vor dem jüdischen Hohepriester niederwerfe. Der König entgegnete ihm darauf: „Nicht ihn habe ich angebetet, sondern Gott, dessen höchste Priesterwürde er bekleidet. 334 Diesen Hohepriester habe ich in demselben Gewande schon im Traume gesehen, als ich zu Dios in Macedonien mich befand. Und da ich schon überlegte, wie ich Asien unterjochen könne, [55] riet dieser mir, nicht zu zögern, sondern wacker überzusetzen. Er selbst werde meinem Heere voranschreiten und mir die Herrschaft über die Perser verschaffen. 335 Weil ich nun noch keinen anderen Menschen in einem solchen Gewande gesehen habe, erinnerte ich mich bei seinem Anblick sogleich des Traumes und seiner Verkündigung, und ich glaube jetzt, dass ich meinen Kriegszug auf Gottes Geheiss unternehme, dass ich den Darius überwinden, die Macht der Perser vernichten und alle meine Absichten verwirklichen werde.“ 336 Nach dieser an Parmenion gerichteten Antwort reichte er dem Hohepriester die Hand und begab sich in Begleitung der Priester zur Stadt, stieg zum Tempel hinauf, opferte Gott nach des Hohepriesters Anweisung und erwies diesem wie den Priestern die höchsten Ehrenbezeugungen. 337 Als man ihm nun das Buch Daniel zeigte, in welchem vorausgesagt war, ein Grieche werde der Perser Reich zerstören, hielt er sich selbst für diesen Griechen und entliess voll Freude das Volk. Am folgenden Tage aber rief er sie wieder zusammen und hiess sie Geschenke begehren, so viele sie wollten. 338 Da nun der Hohepriester um die Erlaubnis, nach den väterlichen Gesetzen leben zu dürfen, und um die Befreiung von Abgaben in jedem siebenten Jahre bat, gestand Alexander ihm dies gern zu. Und als man ihn weiter bat, er möge auch den Juden in Babylon und Medien gestatten, nach ihrem Gesetze zu leben, bewilligte er das ebenfalls. 339 Dann erklärte er der Menge, wenn welche von ihnen mit ihm zu Felde ziehen wollten, so sei er bereit, sie mitzunehmen; auch könnten sie beim Heere ihren väterlichen Gebräuchen treu bleiben und danach leben. Daraufhin liessen sich viele für den Feldzug einschreiben.

Josephus Jüdische Altertümer XI, 317 – 337