Der Kindermord von Bethlehem

Als sich nun Herodes von den Weisen betrogen sah, wurde er sehr zornig, sandte hin und ließ alle Knaben töten, die in Bethlehem und in seinem ganzen Gebiet waren, von zwei Jahren und darunter, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erforscht hatte.

Matthäus 2,16

Die Bibel berichtet, dass Herodes in Bethlehem und dessen Umgebung alle Knaben im Alter von 2 Jahren und darunter umbringen ließ. Diese Darstellung stimmt mit anderen geschichtlichen Berichten überein, die von dem bösartigen Wesen des Herodes zeugen. Der Kindermord trug sich nicht lange vor seinem Tod zu (zwischen 4-2 v. Chr.), denn Jesus entkam dem Gemetzel, indem ihn seine Eltern nach Ägypten brachten, aber nach dem Tod des Herodes kehrten sie wieder zurück und wohnten in Galiläa. Diese beiden Ereignisse wurden durch die Propheten Jeremia und Hosea vorhergesagt (Jeremia 31,15; Hosea 11,1).

Herodes „der Große“ hatte in seinem Leben eine sich steigernde paranoide Persönlichkeitsstörung entwickelt, die ihn hinter jeder Person einen potentiellen Königsmörder erblicken lies. Er selbst stammte nicht aus einem jüdischen Stamm, sondern war Edomiter, daher konnte er zum einen nicht Hoher Priester, also religiöser Führer der Juden werden, zum anderen auch nicht König des jüdischen Volkes. Gleichwohl war er Jude, denn die Edomiter waren zum Judentum zwangsbekehrt.

so sollst du nur den zum König über dich setzen, den der HERR, dein Gott, erwählen wird. Aus der Mitte deiner Brüder sollst du einen König über dich setzen; du kannst keinen Fremden über dich setzen, der nicht dein Bruder ist.

5. Mose 17,15

Herodes musste daher insbesondere einen König fürchten, der entsprechend der Prophezeiungen aus Bethlehem stammt und von David abstammte.

Seine zahlreichen Morde bis in die eigene Verwandtschaft hinein, zeugen von dieser Paranoia. Anderseits zeugt aber auch der bombastische 2. jüdische Tempel, der durch ihn errichtet wurde, von seinem Streben, das subjektive Defizit seiner Abstammung auszugleichen.

Diese Paranoia erfuhr zusätzliches Potential durch die religiös extrem aufgeladene Atmosphäre dieser Zeit. Die religiösen jüdischen Gruppen, allen voran die Pharisäer, erwarteten die Ankunft des Messias. Diese Erwartung fußte insbesondere in den Prophezeiungen in Daniel 9, aus der die Ankunft des Messias nach Jahren berechnet werden konnte.

Josephus berichtet, dass Herodes in dieser Zeit eine Gruppe von Pharisäern hinrichten ließ, die eine Prophezeiung äußerten, dass bald ein messianischer König geboren werde, um Herodes vom Thorn zu stürzen und viele Menschen aus dem inneren Kreis des Herodes dafür begeisterten (Josephus, Jüdische Altertümer, Kapitel 17).

Um 400 n. Chr. berichtet der römische Philosoph Ambrosius Theodosius Macrobius in seiner Schrift Saturnalia davon, dass Augustus, als er davon gehört hatte, dass Herodes, König der Juden, alle Knaben in Syrien unter dem Alter von zwei Jahren töten ließ und dabei auch sein eigener Sohn umgebracht worden sei, kundtat:

„Bei Herodes ist es besser, sein Schwein (hyn) zu sein als sein Sohn (hyión)

Macrobius: Saturnalia 2, 4, 11: Melius est Herodis porcum esse quam filium. – Ins Griechische rückübersetzt, ergibt sich aus den Vokabeln für Schwein und Sohn (hŷs und hyiós)

Herodes hält sich an die jüdischen Speisevorschriften und verzichtet auf Schweinefleisch. Säue haben unter ihm bessere Überlebenschancen als leibliche Kinder.

Macrobius war kein Christ, hat also sicher nicht den Text des Matthäusevangeliums übernommen.

Mit dem Kindermord von Betlehem wurde auch der 1988 gemachte Fund von über hundert Skeletten von Neugeborenen in einem Wohnviertel hinter den ehemaligen Hafenanlagen der Hafenstadt Ashqelon, einer der zur Zeit Jesu wichtigsten Häfen Palästinas, in Verbindung gebracht. Der Papyrologen Carsten Peter Thiede hat belegt dass diese auf die Zeit des Herodes zu datieren und zu einem großen Teil von Jungen unter zwei Jahren stammen.

Ein spektakulärer Fund in der Hafenstadt Ashkelon an der israelischen Mittelmeerküste gibt eine überraschende Antwort auf die Frage. Aschkelon war zu Zeiten Jesu einer der wichtigsten Häfen Palästinas. Die antike Kaimauer ist längst ein Raub der Gezeiten geworden. Aber hinter den ehemaligen Hafenanlagen blieben die Fundamente der Häuser erhalten. Hier machten Archäologen vor wenigen Jahren eine grausige Entdeckung. In einer Grube inmitten des Wohnviertels fanden sie Hunderte von Babyknochen. Wie Gerichtsmediziner feststellten: fast ausschließlich von Jungen unter zwei Jahren – ermordet.

ZDF Mediathek (Eintrag vom 22.2.2007

Diese beiden Belege zeigen, dass Herodes offensichtlich weit mehr Morde beging, als bei Josephus berichtet wurden. Die Nichterwähnung des Kindermords von Bethlehem ist daher sicher kein Indiz dafür, dass es diesen nicht begangen hat, wie dies in der Theologie regelmäßig festgestellt wird. Denkbar ist sogar, dass Herodes zwar zunächst die Jungen unter 2 Jahren rund um Bethlehem umbringen lies, wie dies die Bibel berichtet, dann aber gleich tabula rasa machte und auch an anderen, möglicherweise religiös „verdächtigen“ Orten, alle Kinder in diesem Alter umbringen lies und dabei, wie dies das obige Zitat des Augustos belegt, auch vor der eigenen Familie nicht halt machte.

In Offenbarung 12 wird der Kindermord, der darauf zielte, den Messias zu töten, als Satans direktes Wirken dargestellt.

2 Und sie war schwanger und schrie in Wehen und Schmerzen der Geburt. 3 Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel: siehe, ein großer, feuerroter Drache, der hatte sieben Köpfe und zehn Hörner und auf seinen Köpfen sieben Kronen; 4 und sein Schwanz zog den dritten Teil der Sterne des Himmels nach sich und warf sie auf die Erde. Und der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte, um ihr Kind zu verschlingen, wenn sie geboren hätte.

Offenbarung 12,2-4

Links

Personen

Herodes der Große