Der Fall Dehn – ein warnendes Beispiel

Am 6. November 1928 hielt Claus Dehn im Gemeindehaus der Ulrichskirche in Magdeburg einen folgenreichen Vortrag über „Kirche und Völkerversöhnung“. In dieser Rede bezweifelte Dehn, dass der Tod fürs Vaterland dem Tod Jesu gleichgesetzt werden kann.

By Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland from Düsseldorf/ Boppard, Deutschland – Dehn, Günther mit Ehefrau Luise Silberhochzeit Berlin, CC0

Die Rede rief große Empörung hervor, die sich monatelang über die Gemeinde hinaus fortsetzte. Dehns Frage wurde so aufgefasst, dass er Soldaten als Mörder betrachte und ihnen deshalb die christliche Ehre in den Kirchen habe verweigern wollen. Dehn erhielt viele Hass- und Drohbriefe. Die Deutschnationale Volkspartei Magdeburg-Anhalts veröffentlichte einen Protest gegen ihn in der Presse und löste damit eine überregionale Hetzkampagne aus. Wegen der anhaltenden Proteste auch nationaler Verbände bestellte das Berliner Landeskirchenamt Dehn ein, wo er sich erklärte. Sechs Monate später erhielt er daraufhin einen Verweis: Sein Verhalten habe den „allgemeinen kirchlichen Interessen“ geschadet. Er wurde aufgefordert, sich in Zukunft besonnener zu verhalten, ohne dass auf den Inhalt seiner Rede Bezug genommen wurde.

Von nun an war Dehn in ganz Deutschland als „roter Pfarrer“ bekannt. Er bewarb sich erfolglos für andere Pfarrstellen außerhalb Berlins und als Gefängnispfarrer, fand aber keine Gemeinde, die ihn wählen wollte. 1930 erhielt er jedoch überraschend eine Berufung der Universität Heidelberg zum Professor. Bevor er diesen antreten konnte, erinnerte der Herausgeber der Eisernen Blätter die Öffentlichkeit an Dehns Magdeburger Affäre von 1928. Daraufhin setzte das Ministerium in Karlsruhe seine Ernennung „bis zur Klärung der in Frage stehenden Angelegenheit“ aus.

Direkt nach Erhalt der Ablehnung wurde Dehn eine Stelle an der Universität Halle angeboten. An der dortigen Fakultät hatte der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund unter Leitung von Joachim Mrugowsky jedoch bereits von seiner möglichen Berufung gehört und Flugblätter gegen ihn verteilt. 

Weitere vertiefende Einzelheiten mit Bildern Friedemann Stengel (Hg.): Ausgeschlossen. Die 1933-1945 entlassenen Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle 2016, S. 75 – 84

Darin hieß es: „Herr Pfarrer Dehn will die deutschen Kinder zum krassesten und feigen Pazifismus erziehen. Wollen wir zusehen, wie ein solcher Mann ein Ordinariat an unserer Universität erhält? … Wir wollen ehrliche deutsche Männer als Professoren unserer … Hochschulen haben!“ Die Fakultät versprach ihm, ihn gegen etwaige studentische Angriffe zu verteidigen. 

Als Dehn seine Vorlesungen aufnehmen wollte, kam es zu Vorlesungsstörungen und zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Studierenden und Polizei. Dehn erhielt schließlich ein Jahr Urlaub, um die Lage zu beruhigen. In dieser Zeit wurde die Kampagne gegen ihn an der Hallenser Universität intensiviert. In seinem Urlaub, den er in England verbrachte, erfuhr Dehn 1933 aus der Zeitung, dass die neuen Machthaber ihn zunächst beurlaubt und dann entlassen hatten. Von seiner Frau hörte er außerdem, dass bei den Bücherverbrennungen im Mai 1933 auch seine Bücher verbrannt worden waren.

Tätigkeit in der Bekennenden Kirche 

Dehn zog mit seiner Frau trotzdem wieder nach Berlin-Schöneberg. Der Pfarrer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche schlug Dehn vor, als theologischer Berater in der Bekenendeen Kirche tätig zu sein. Dies nahm Dehn an und betreute die theologische Weiterbildung der Berliner BK-Pastoren. Die Fakultät der Bekennenden Kirche war am 1. November 1935 eröffnet und am selben Tag verboten worden. Im August 1937 verbot ein Himmler-Erlass der BK jede Ausbildungs- und Prüfungstätigkeit an Studenten und Kandidaten, die dennoch geheim fortgesetzt wurde.

Im Mai 1941 beschlagnahmte die Gestapo bei einer Haussuchung alle Akten für die illegale Ausbildung der Berliner Bekennenden Kirche. Am 9. Mai 1941 wurde Dehn wegen verbotener Lehr- und Prüfungstätigkeit verhaftet und ein Jahr lang bis zum 8. Mai 1942 in verschiedenen Gefängnissen Berlins inhaftiert. Sofort nach dem Haftende wurde er erneut festgenommen und erst am 3. Juli 1942 freigelassen.

Nach einer Erholungskur in Tübingen durfte Dehn ab Herbst 1942 bis zum Kriegsende den zum Kriegsdienst eingezogenen Pfarrer in Ravensburg vertreten

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