Bertold Brecht – Ein peinlicher Vorfall

Bertold Brecht schrieb diesen Text über Alfred Döblin, als dieser anlässlich seines Geburtstages von seiner Bekehrung erzählte. Es ist ein Spottgedicht.

Als einer meiner höchsten Götter seinen 10 000. Geburtstag / beging, / Kam ich mit meinen Freunden und meinen Schülern, ihn zu feiern. […] / Die Stimmung war gerührt. Das Fest nahte seinem Ende. / Da betrat der gefeierte Gott die Plattform, die den Künstlern gehört, / Und erklärte mit lauter Stimme, / Dass er soeben eine Erleuchtung erlitten habe und nunmehr / Religiös geworden sei, und mit unziemlicher Hast / Setzte er sich herausfordernd einen mottenzerfressenen Pfaffenhut auf / Ging unzüchtig auf die Knie <nieder und stimmte / Schamlos ein freches Kirchenlied an, so die irreligiösen Gefühle / Seiner Zuhörer verletzend, unter denen / Jugendliche waren. / Seit drei Tagen / Habe ich nicht gewagt, meinen Freunden und Schülern / unter die Augen zu treten, so / Schäme ich mich.