Jesus Christus übertrug den Aposteln eine ganz besondere Autorität, indem er ihnen das Apostelamt gab (Lukas 6,12-16; Galater 1,1). Ihnen galt seine Zusage (Matthäus 10,40):
„Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf.“
Die meisten Bücher des NT sind durch Apostel geschrieben worden. Es ist daher eine Selbstverständlichkeit für Christen, dass die Verfasserschaft der Apostel – nebst der Selbstbeglaubigung durch ihren Inhalt – ein wichtiges Kriterium ist, um ihre Schriften zu anerkennen, zumal der Herr den Aposteln die Inspiration des Heiligen Geistes bezüglich der Weitergabe seines Wortes zugesagt hatte (Johannes 14,26; 15,26; 16,12.13).Gemäß Epheser 2,20 ist die Kirche aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten (= inspirierte Personen):
„… aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, wobei Jesus Christus selbst Eckstein ist, …“
Deshalb konnten durch die Christen auch Bücher Anerkennung finden von Personen, die zwar keine Apostel, aber dafür Propheten in der Anfangszeit der Kirche waren. Ihre Schriften mussten aber mit der Lehre der Apostel übereinstimmen.[7]
Unter diese Kategorie fallen Lukas, der Verfasser eines Evangeliums und der Apostelgeschichte, und Markus, der Schreiber des nach ihm benannten Evangeliums, ferner auch Judas und Jakobus, bekannt als Halbbrüder des Herrn. Sie waren Autoren von je einem Brief des NT.Alle diese Personen lebten im 1. Jh. n.Chr. Sie wirkten im Umfeld der Apostel und genossen ihre Anerkennung als Diener Gottes.[8]
In diesem Zusammenhang ist es z.B. erwähnenswert, dass der Apostel Paulus das Lukasevangelium ausdrücklich als ein zur Heiligen Schrift gehörendes Buch anerkannte.[9]Es gab in den ersten Jahrhunderten der Christenheit viele Schriften unter falschem Namen (z.B. das Thomas-Evangelium, die Petrus-Apokalypse etc.). Es zeugt von großer Gewissenhaftigkeit und rühmenswertem Forschersinn, dass von der frühen Kirche nach und nach all die vielen gefälschten Schriften samt und sonders mit ganzer Entschiedenheit abgewiesen wurden.[10]Manche dieser gefälschten Schriften wurden von gnostischen Irrlehrern verfasst. Das waren Sektierer, die im Gegensatz zur Bibel, lehrten, dass alle Materie schlecht und minderwertig sei. Solche Gedanken gingen zurück auf den griechischen Philosophen Platon. Diese Verführer lehrten, dass Jesus Christus kein wirklicher Mensch geworden sei, denn, – so argumentierten sie –, wäre sein menschlicher Körper wirklich aus Fleisch und Blut gewesen, so hätte er ja einen minderwertigen Körper gehabt.
Genau vor diesen Lehren warnte aber ausdrücklich der Apostel Johannes, der einer der 12 Apostel Jesu Christi war. Er schrieb, dass man falsche Betrüger u.a. daran erkennen kann, dass sie nicht bekennen, dass Jesus Christus „im Fleisch“, d.h. als wahrer, wirklicher Mensch gekommen ist (vgl. 1. Johannesbrief 4,1-6; Johannesevangelium 1,14).
Dadurch hatten die frühen Christen auch eine gute Grundlage, um Fälschungen aus den Kreisen der Gnostiker wie das Thomasevangelium (geschrieben unter falschem Namen, um 140 n.Chr., als der Apostel Thomas schon sehr lange verstorben war) oder das Judasevangelium (wohl in der Mitte des 2. Jh. n.Chr. verfasst, unter falschem Namen) abzulehnen.
Für die Tatsache, dass Schriften von frühen christlichen Verfassern, die z.T. zwar noch in der apostolischen Zeit gelebt hatten (z.B. Polykarp, Ignatius, Papias, Clemens von Rom), nicht als Gottes Wort Anerkennung fanden, kann man doch volles Verständnis finden, wenn man weiß, dass sie selbst auch gar nicht den Anspruch erhoben, inspiriert gewesen zu sein.Oftmals hört man die Behauptung, dass die frühchristlichen Konzilien beschlossen hätten, welche Bücher zum NT gehören und welche nicht, und dass deshalb in der gesamten Christenheit eine derart beeindruckende Einheit über den Umfang der 27 neutestamentlichen Bücher herrsche.
Solche Aussagen zeugen von fehlendem Sachwissen: Kein einziges der grossen Konzilien, die die ganze Christenheit repräsentieren sollten, indem Vertreter aus der ganzen damaligen Welt dabei waren (man nennt diese umfassenden Konzilien deshalb „ökumenische Konzilien“),[11] hat die Frage des Kanons entschieden, weder in Nizäa (325 n.Chr.), in Konstantinopel (381 n.Chr.) noch in Ephesus (431 n.Chr.) etc.Ja, auf dem Konzil von Hippo (397 n. Chr.) in Nordafrika wurde über die Frage des Kanons gesprochen, aber das war ein regionales Konzil, das nicht die ganze Christenheit bestimmte.
Wie kam es denn in der Christenheit zu einer solchen Übereinstimmung in der Frage, welche Bücher zum NT gehören und welche nicht? Diese Einheit erklärt sich durch die oben genannten Kriterien: Nur Bücher, die nachweisliche von einem Apostel, oder durch einen von den Aposteln anerkannten Propheten, verfasst worden waren, wurden anerkannt. Alle Fälschungen wurden radikal abgewiesen..Die Bibel warnte wiederholt vor dem Hinzufügen von gefälschten Büchern:
„Tue nichts zu seinen Worten hinzu, damit er dich nicht überführe und du als Lügner erfunden werdest.“ (Sprüche 30,6)