Nach der Katastrophe der Tempelzerstörung 70 n. Chr., versuchten die führenden Juden die jüdische Religion neu auszurichten. Im Zuge dieser Beratungen, die traditionell einem Konvent in Javne – Jamnia ist der griechische Name des Orts – zugeschrieben wurden, erfolgte auch der Bruch mit dem Judenchristentum.
Mit dem Verlust des Jerusalemer Tempels, der ja nicht durch einen Bau an anderer Stelle ersetzt werden konnte, konnten nun ca. 1/3 der alttestamentlichen Gebote nicht mehr gehalten werden. Die Hohenpriester, Priester und Leviten waren funktionslos geworden und ihre sadduzäische Theologie war dem Untergang geweiht. Überlebt hat die zweite jüdische Hauptrichtung der Pharisäer und Schriftgelehrten, wie wir sie aus dem Neuen Testament kennen. Ihre Theologie bestimmte nun das Überleben und die weitere Lehrentwicklung des Judentums.
Ab dem Jahr 70 sammelte sich in der judäischen Küstenstadt Jabne die führenden Pharisäer, wo sie ein „Lehrhaus“, eine Art jüdische Akademie, gründete. Diese Einrichtung sicherte das Überleben und die weitere Entwicklung des religiösen Judentums und bestand bis zum Jahr 132. Danach verlagerte sich die geistliche jüdische Führung und Akademie nach Tiberias am See Genezareth, ab dem 3. Jahrhundert ins persisch-sassanidische Sura am Euphrat.
Zunächst galt es die Opfer und Feste des Tempels in einem übertragenen Sinne mit formalisierten Gebeten und einer neuen Liturgie für die Synagoge und für die familiäre Festfeier zu ersetzen.
In dieser Zeit wurde auch das so genannte 18-Bittengebet (Schmone Esre) abschließend formuliert, das als Hauptgebet in unmittelbarem Anschluss an das Sch’ma Jisrael (5. Mose 6,4-9) bei jedem Synagogengottesdienst und auch privat dreimal täglich gebetet wird. Als 12. Bitte wird eine starke Verwünschung der Häretiker (hebr. „Minim“) Gott anbefohlen.
„Den Abtrünnigen sei keine Hoffnung und die freche Regierung (= Rom) mögest du eilends ausrotten [in unsren Tagen, und die Nazarener (nozrim = Christen) und die Minim (= Häretiker) mögen umkommen in einem Augenblick ausgelöscht werden aus dem Buch des Lebens und mit den Gerechten nicht aufgeschrieben werden. Gepriesen seist du, Jahwe“
Strack / Billerbeck (Kommentar zum NT aus Talmud und Midrasch, Bd. 4.1, S. 212, 213
Das Beten dieser Bitte machte es den Judenchristen unmöglich noch weiter am Synagogengottesdienst teilzunehmen, was auch Zweck dieses Gebets war. Die Ausstoßung der Jünger Jesus aus der Synagoge, die Jesus vorausgesagt hatte, war damit endgültig vollzogen.
Sie werden euch aus der Synagoge ausschließen.
Johannes 16,2
Der Sanhedrin, also das Gericht der Juden, von Jamnia wird in den Jüdischen Sammlungen des Talmud folgendermaßen über Jesus zitiert:
Traktat Sanhedrin 43a
„Am Vorabend des Passahfestes hängte man Jeschu. Vierzig Tage vorher hatte der Herold ausgerufen: Er wird zur Steinigung hinausgeführt, weil er Zauberei getrieben und Israel verführt und abtrünnig gemacht hat; wer etwas zu seiner Verteidigung zu sagen hat, der komme und sage es. Da aber nichts zu seiner Verteidigung vorgebracht wurde, so hängte man ihn am Vorabend des Passahfestes.“
Dieses Zitat stellt eine der wichtigsten außerbiblischen Erwähnung Jesu dar.
Erstaunlich bei der Beschreibung ist, dass die besonderen Kräfte (Zauberei) Jesu nicht bestritten werden. Das Recht zur Steinigung, das den Juden grundsätzlich zustand, hatten sie in den Jahren 32 n. Chr. verloren, sodass Jesus ans Kreuz gehängt wurde. .
Die Ausstoßung hatte für die Christen zur Folge, dass sie endgültig nicht mehr der religio lecita angehörten. Dabei handelt es sich um ein Sonderrecht der Juden im römischen Reich, das ihnen das Recht gab, nicht den Kaiser anbeten zu müssen. Jahrhundertelange, wiederkehrende Verfolgung war die Konsequenz.