Deutung des Höhlengleichnisses durch Markus Spieker

Verweise

Deutung

Vierhundert Jahre bevor Jesus mit Gleichnissen die göttliche Wirklichkeit erklärt, erläutert der griechische Philosoph Platon die menschliche Wirklichkeit. Auch er benutzt ein Gleichnis, das berühmte «Höhlengleichnis». Danach ähneln Menschen den Bewohnern einer Höhle, die nichts von der Welt über dem Erdboden wissen – außer den Schatten, die durch das einfallende Licht an die Höhlenwand projiziert werden. Die Schatten symbolisieren religiöse Mythen und philosophische Weisheiten, mit denen Menschen sich selbst und die Welt zu verstehen versuchen. Solange nicht jemand, der sich oberhalb der Grasnarbe auskennt, zu ihnen heruntersteigt und ihnen die Fakten des Lebens erklärt, werden sie im Finstern bleiben. Trotz aller Anstrengungen.

Die Philosophie ist um die Zeitenwende mit ihrem Latein und Griechisch am Ende. Die Möglichkeiten der Vernunft sind ausgelotet, ihre Grenzen sind abgesteckt. Was weitergeht, ist der technische Fortschritt und die philosophische Anpassung daran. Die gängigen Variationen des Gottes-Glaubens – Polytheismus, Pantheismus, Monotheismus, Agnostizismus, Atheismus – sind alle bis zur Erschöpfung durchprobiert.

Allerdings ist der Abstieg Gottes riskant, ja sogar lebensgefährlich. Auch das wussten schon die alten Philosophen. Platon sagt dem Weisen, der den Höhlenbewohnern die Augen öffnen will, ein schlimmes Schicksal voraus. Platon weiß, dass die Menschen nicht wirklich offen sind für Neues. Sie ziehen die Märchen, die sie kennen, der Wahrheit vor.

Platon prophezeit: Der Weise, der den Menschen das Licht bringt, wird von ihnen gekreuzigt werden.