Es war im ersten Weltkrieg, dass ich mit einem Kameraden, einem anderen jungen Leutnant, – wir waren auf dem Vormarsch in Frankreich – in einem Straßengraben bei Verdun zusammen sass. Wir warteten auf den Befehl zum Vorrücken. Da rissen wir – alte Soldaten wissen Bescheid – dreckige Witze. Und dann erzähle ich einen dreckigen Witz – und der Kamerad lacht nicht.
»Kutscher«, sage ich, so hieß er, »warum lachst du nicht?« Da kippt der um, und ich sehe: Der ist tot! Ein kleiner Splitter einer Granate hatte ihn direkt ins Herz getroffen. Ich stehe mit meinen 18 Jahren vor der Leiche des Kameraden und bin zuerst noch ganz ungerührt: »Was bist du unhöflich, mein Lieber, dass du abgehauen bist, ehe ich den Witz zu Ende erzählt habe!«
Doch im gleichen Moment überkommt es mich: »Wohin ist denn der?« Ich sehe mich noch an diesem Straßengraben stehen, als es mich wie ein grelles Licht, heller als ein Atomblitz, überfiel: »Der steht jetzt vor dem heiligen Gott!« Und die nächste Feststellung war: »Wenn wir jetzt andersherum gesessen hätten, dann hätte es mich erwischt, und dann stünde ich jetzt vor Gott!« Nicht vor irgendeinem Herrgott, sondern vor dem Gott, der seinen Willen kundgetan hat, der Gebote gegeben hat, die ich alle übertreten habe – wie Sie sie auch alle übertreten haben! Es gibt Leute, deren Sünden zum Himmel schreien und die doch sagen: »Ich tue recht und scheue niemand.«
Lügen Sie doch nicht so! – In dem Augenblick wusste ich: »Ich habe alle Gebote Gottes übertreten! Und wenn ich jetzt einen Schuss kriege, dann stehe ich vor Gott!« Und es war mir klar: »Dann komme ich in die Hölle!« Da kamen unsere Burschen mit den Pferden gerannt: »Es geht vorwärts!« Ich stieg aufs Pferd. Da lag mein toter Freund. Und nach langen Jahren faltete ich zum ersten Mal die Hände und betete nur: »Lieber Gott, lass mich nicht fallen, ehe ich weiß, dass ich nicht in die Hölle komme!«
Ich bin später zu einem Militärpfarrer gegangen und habe ihn gefragt: »Herr Pfarrer, was soll ich tun, dass ich nicht in die Hölle komme?« Da hat er mir geantwortet: »Herr Leutnant, wir müssen erst mal siegen. Siegen, siegen!«
»Sie wissen es selber nicht!«, habe ich ihm erwidert. – Ist das nicht erschütternd, dass da Tausende von jungen Männern in den Tod gingen, und keiner konnte ihnen sagen, wie man gerettet wird?
Ich wäre wohl ziemlich in Verzweiflung geraten, wenn mir nicht eines Tages ein Neues Testament in die Hand geraten wäre. Ich sehe noch das Milieu in dem französischen Bauernhaus hinter der Front vor mir, in dem ich mich befand. »Ein Testament! Da steht wohl drin, wie man nicht verlorengeht!«, dachte ich. Ich blätterte es so durch, denn ich kannte mich nicht richtig aus. Da bleibt meine Auge an einem einzigen Satz hängen:
Busch, Wilhelm. Jesus unser Schicksal (S.59-60). Neukirchener Verlagsgesellschaft. Kindle-Version.»Jesus Christus ist gekommen in die Welt, die Sünder selig zu machen.«
1. Timotheus 1,15