Stefan Zweig hat in seinm Buch „der Kampf mit dem Dämon“ die Schicksale Hölderlins, Kleists und Nietzsches beleuchtet. In ihm findet sich die folgende Passage, in der er die Hingabe Nietzsches an den Dämon beschreibt.
Seid gegrüßt, Dämonen!, gesprochen in der Leichtigkeit des studentsichen Lebens fand der Gruß grausame Erhörung.
Heroische Landschaft ohne Himmel, gigantisches Spiel ohne Zuschauer, Schweigen und immer gewaltsameres Schweigen um den fürchterlichsten Schrei geistiger Einsamkeit – das ist die Tragödie Friedrich Nietzsches:
Man müßte diese Trägödie als eine der vielen sinnlosen Grausamkeiten der Natur verabscheuen, hätte er ihr nicht selbst ein ekstatisches Ja gesagt und die einzige Härte um ihrer Einzigkeit willen gewählt und geliebt. Denn freiwillig, aus gesicherter Existenz und mit klarem Sinn hat er sich dies »besondere Leben« aus dem tiefsten tragischen Instinkt gebaut und mit einer einzigen Kraft die Götter herausgefordert, in ihm »den höchsten Grad der Gefährlichkeit zu erproben, mit der ein Mensch sich lebt«. »Χαίρετε δαὶμοως« – »Seid gegrüßt, Dämonen!« Mit diesem heitern Ruf der Hybris beschwören einmal in studentisch froher Nacht Nietzsche und seine philologischen Freunde die Mächte: zur Geisterstunde schwenken sie vom Fenster aus den gefüllten Gläsern roten Wein in die schlafende Straße der Baseler Stadt hinab als Opfergabe an die Unsichtbaren. Es ist nur ein phantastischer Scherz, der mit tieferer Ahnung sein Spiel treibt: aber die Dämonen hören den Ruf und folgen dem, der sie gefordert, bis aus dem Spiel einer Nacht grandios die Tragödie eines Schicksals wird. Nie aber verwehrt sich Nietzsche dem ungeheuren Verlangen, von dem er sich übermächtig erfaßt und fortgeschleudert fühlt: je härter ihn der Hammer trifft, um so heller klingt der eherne Block seines Willens. Und auf diesem rotglühenden Amboß des Leidens wird härter und härter mit jedem verdoppelten Schlag die Formel geschmiedet, die seinen Geist dann ehern umpanzert, die »Formel für die Größe am Menschen, amor fati: daß man nichts anders haben will, vorwärts nicht, rückwärts nicht, in alle Ewigkeit nicht. Das Notwendige nicht bloß ertragen, noch weniger verhehlen, sondern es lieben«. Dieser sein inbrünstiger Liebesgesang an die Mächte überklingt dithyrambisch den eigenen Schmerzensschrei: zu Boden geknickt, zerdrückt vom Schweigen der Welt, zerfressen von sich selber, geätzt mit allen Bitterkeiten des Leidens, hebt er niemals die Hände, das Schicksal möchte endlich von ihm lassen. Nur um mehr noch bittet er, um stärkere Not, um tiefere Einsamkeit, um volleres Leiden, um die äußerste Fülle seiner Fähigkeit; nicht in der Abwehr, einzig im Gebet hebt er die Hände, im herrlichsten Gebet des Helden: »Du Schickung meiner Seele, die ich Schicksal nenne, Du In-mir! Über-mir! Bewahre mich und spare mich einem großen Schicksal.« Wer aber so groß zu beten weiß, der wird erhört.
Stefan Zweig – Der Kampf mit dem Dämon
Es ist dieser eine Schritt zu weit, der das Band der Berufung zertrennt.
Ich erinnere mich an eine Situation in meinem Leben, in der die Zweifel mich ebenfalls an den Rand dieses Schrittes drängten. Diese verhängsnisvolle Mischung aus Rebellion, Hybris und echten Zweifeln. Vielleicht auch das, dass man Gott zwingen will, zu handeln. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Es ist der Schritt über den Abgrund. Unumkehrbar in seiner Konsequenz. Und ich wusste, noch einen Schritt und mein Glaube, das Fundament meines Lebens und aller Hoffnung wird zerstört sein. Der Abgrund voller Verzweiflung hat sich vor mir aufgetan. Ich bin zurückgeschreckt. Gott sei Dank!
Denn es ist unmöglich, die, welche einmal erleuchtet worden sind und die himmlische Gabe geschmeckt haben und Heiligen Geistes teilhaftig geworden sind und das gute Wort Gottes geschmeckt haben, dazu die Kräfte der zukünftigen Weltzeit, und die dann abgefallen sind, wieder zur Buße zu erneuern, da sie für sich selbst den Sohn Gottes wiederum kreuzigen und zum Gespött machen!
Hebräer 6,4-6