Herodes wurde durch Antipater, seinen Vater, nach dem Abzug Cäsars aus Syrien die Verwaltung über Galiläa übergeben. Dessen erste Tat war die Säuberung seines Gebietes von Räuberbanden, was ihn sogleich erhebliche Berühmtheit einbrachte.
Das allerdings veranlasste einige Juden aus Neid zusammen mit den Müttern der ermordeten Räuber Hyrkanus II. (den damaligen Hohenpriester) anzustacheln, Herodes vor den Sanhedrin zu laden, weil er diesem vorgegriffen habe, indem er die Räuber hinrichten ließ, ohne sie erst vor Gericht zu stellen.
Herodes erschien auch; allerdings erschien er kühn und respektlos mit einer Leibwache, obschon er als Proselyt diesem Gericht unterstand. Durch sein beleidigendes Benehmen erregte er den Zorn der Richter. Wie Josephus berichtet, ergriff Sameas (Simeon), einer der Richter, mutig das Wort und sagte voraus, daß Herodes, wenn er straffrei ausgehen werde, später alle, die jetzt über ihm zu Gericht säßen, umbringen würde.
Weder habe ich selbst jemals einen Menschen gesehen, o König und ihr Richter, noch glaube ich, dass ihr mir einen nennen könnt, der so als Angeklagter vor euch aufzutreten gewagt hätte. Wer sonst vor den Gerichtshof des hohen Rates kam, erschien in demütiger und zaghafter Haltung, als wenn er unser Mitleid herausforderte, mit lang herabhängendem Haar und in schwarzem Kleide. 173 Unser Freund Herodes aber, der des Mordes beschuldigt und eines so schweren Verbrechens angeklagt ist, steht da in Purpur, mit geschniegeltem Haupthaar und von Bewaffneten umgeben, um uns, wenn wir ihn dem Gesetze gemäss verurteilen, niederzumachen und alles Recht zu verhöhnen. 174 Doch ich will Herodes keinen Vorwurf daraus machen, dass er mehr auf seinen Vorteil als auf die Gesetze achtet. Euch vielmehr und den König muss ich tadeln, dass ihr euch so etwas bieten lasst. Denkt aber daran, dass es einen allmächtigen Gott giebt, und [236] dass der, den ihr jetzt dem Hyrkanus zu Gefallen freisprechen wollt, einst euch und den König dafür züchtigen wird.“
Jüdische Altertümer, 14. Buch, Kap. 9, Abs. 4
Hyrkanus war jedoch ein unentschlossener, zaghafter Mann. Er ließ sich von Herodes und durch einen Brief des Sextus Cäsar (ein Verwandter des Julius Cäsar und zu dieser Zeit Statthalter von Syrien) einschüchtern, der ihm drohte für den Fall, daß er sich nicht füge und Herodes nicht freispreche, und so gab er nach (Josephus, Jüdische Altertümer, 14. Buch, Kap. 9, Abs. 4).
Allerdings erfüllte sich die Prophezeiung des Simeon und Herodes lies die Richter des Sanhedrin mit Ausnahme des Simeon später ermorden.
Denn als Herodes später König geworden war, liess er alle Mitglieder des Gerichtshofes samt Hyrkanus umbringen, mit alleiniger Ausnahme des Sameas. 176 Diesen nämlich achtete er sehr, einmal seiner Gerechtigkeit wegen, dann aber auch, weil er, als die Stadt nachmals von Herodes und Sosius belagert wurde, das Volk aufforderte, den Herodes einzulassen, da man um der begangenen Sünden willen ihm doch nicht entgehen könne.
Jüdische Altertümer, 14. Buch, Kap. 9, Abs. 4