Wilhelm Busch – Hauptsache ich habe einen Glauben

Jeder Mensch hat ja seinen Glauben. Als ich als junger Student mal bei meiner Mutter zu Hause war, kam eines Tages eine Dame, um meine Mutter zu besuchen. Da die gerade nicht da war, sagte ich: »Gnädige Frau, sie ist nicht da. Sie müssen schon mit mir vorliebnehmen.« »Sehr nett«, erklärte sie höflich. Nachdem ich sie aufgefordert hatte, Platz zu nehmen, fragte sie mich: »Was machen Sie denn?« Ich antwortete: »Ich studiere Theologie.« »Was!«, ruft sie, »Theologie? Wer wird denn heute noch glauben? Das ist ja unmöglich!« Und dann lässt die alte Dame – es war in Frankfurt, wo Goethe gelebt hat – den alten Goethe aufmarschieren und erklärt stolz: »Wir haben den Glauben Gottes! Das Christentum ist doch passé, vorbei!« Weil mir das Gespräch nun peinlich war und ich mit der alten Dame keinen Streit anfangen wollte, brachte ich sie auf ein anderes Gebiet: »Gnädige Frau, darf ich mal fragen, wie es Ihnen geht?« Da sagt sie schnell und klopft dabei an den Tisch: »Toi, toi, toi! So etwas fragt man doch nicht!« Ich frage: »Verzeihen Sie: Was heißt ›Toi, toi, toi!‹?« »Das bringt sonst Unglück!« »So«, stelle ich fest, »Sie haben den Glauben an den lebendigen Gott weggeworfen, glauben aber an ›Toi, toi, toi!‹ mit Holzklopfen. Das ist ja eine dolle Sache! Da haben Sie aber einen glänzenden Tausch gemacht!« Da ging mir auf: Jeder Mensch hat einen Glauben. Die Frage ist nur, ob ich den richtigen, rettenden Glauben habe. Unsere Zeit sagt: »Hauptsache, wir haben einen Glauben!« Und so heißt es denn: »Ich glaube an den Herrgott!« – »Ich glaube an die Natur!« – »Ich glaube an das Schicksal!« »Ich glaube an die Vorsehung!« Nein, nein, meine Freunde, die Hauptsache ist, dass ich den richtigen Glauben habe, einen Glauben, der Frieden gibt. Frieden mit Gott und Frieden im Herzen. Ich muss einen Glauben haben, der vor der Hölle errettet, den ich hier spüren kann, weil er mir ein neues Leben schenkt. Sonst pfeife ich auf den Glauben. Viele Menschen haben mal geglaubt an Deutschland, an den Endsieg, an den Führer. Was ist daraus geworden!? Geht Ihnen da nicht auf, dass es falschen Glauben gibt? Ich muss den richtigen, rettenden Glauben haben!