Wilhelm Busch – Felix und Druisilla

Ich möchte Ihnen erzählen von einem Mann, der auch keine Zeit hatte. Der kommt im Neuen Testament vor. Er war ein großer Mann: römischer Statthalter. Felix hieß er. Ein wunderbarer Name. Felix heißt nämlich »der Glückliche«. Er hatte eine Frau, die hieß Drusilla. Und er hatte einen Gefangenen, der hieß Paulus. Eines Tages – er hatte gerade viel Zeit – sagt er: »Wir wollen diesen Paulus mal ein bisschen verhören. Frau, geh mit!« Und dann gehen sie in den Gerichtssaal. Sie setzen sich pompös hin. Rechts und links von ihnen stehen die Legionäre. Dann wird der Gefangene hereingebracht. »Rede mal, Paulus, warum sitzt du hier?«, fordert Felix seinen Gefangenen auf. Und dann fängt der Paulus eine gewaltige Rede an. So möchte ich auch reden können. Es wurde immer ernster. Auf einmal war der lebendige Gott im Saal! Paulus spricht von der Gerechtigkeit, die ein Richter haben müsste. Das geht dem Felix durch und durch. Er denkt an all die trüben Bestechungsfälle. Und Paulus spricht von der Keuschheit. Da fällt die Drusilla beinahe vom Stuhl. »Junge, aus welcher Zeit stammt denn der?«, denkt sie. Und als Paulus gar fortfährt: »Gott will das!«, da wird‘s den beiden ganz heiß. Und dann spricht Paulus vom Gericht Gottes, in dem man verlorengehen kann. Da springt der Felix auf und sagt: »Moment mal, Paulus! Das ist ja ganz schön, was du sagst. Es ist sicher auch ganz wichtig. Wenn ich gelegenere Zeit habe, will ich dich wieder anhören. Aber jetzt habe ich keine Zeit!« Und dann lässt er ihn abführen. Er hatte nie mehr Zeit. Und ich fürchte, wenn wir keine Zeit haben, Gott zu uns reden zu lassen von der Gerechtigkeit und von der Keuschheit und von seinem Gericht, dass es dann bei uns auch einmal so ist wie beim Felix! Es ist uns so unheimlich, wenn wir die Wirklichkeit Gottes spüren, nicht? Dann stürzen wir uns lieber in den nächsten Film oder drehen den Fernsehapparat an. Da bleiben wir wenigstens in dem Milieu, das uns nicht aufregt. Und so bleibt alles beim Alten! Ist das nicht schrecklich, wenn man von einem Leben sagen muss: »Es blieb alles beim Alten – immer!«?

Busch, Wilhelm. Jesus unser Schicksal (S.52-53). Neukirchener Verlagsgesellschaft. Kindle-Version.