Franz Werfel hat einen Roman geschrieben mit dem Titel »Der veruntreute Himmel«. Darin sagt er einen Satz, der mir nachgeht, solange ich mit Menschen zu tun habe. Der Satz lautet: »Das Kennzeichen der modernen Zeit ist die metaphysische Verdummung des Menschen.«
Die »metaphysische Verdummung«:das ist, dass der Mensch so lange verdummt worden ist durch, Radio, Fernsehen, Geschwätz, Propaganda, Ideologien, Politik, Nachbarn, Terror in Fabriken, bis er gar nicht mehr die Fähigkeit hat, damit zu rechnen, dass Gott da ist und dass man mit ihm reden kann.
Kann man mit Gott reden? Man könnte, wenn man nicht verdummt worden wäre durch hundert Jahre Geistesgeschichte!
Ein16jähriger Junge erzählte mir von einem erschütternden Erlebnis, das er hatte, als er in den Krieg eingezogen wurde. Über seiner Batterie war ein Bombenangriff niedergegangen. Als er als Erster aus dem Bunker kommt, findet er einen Mann, dem der Leib aufgerissen ist. Er will ihm helfen. Da sagt der Mann zu ihm: »Ich muss sterben. Da brauchst du nicht mehr zu helfen. Ich brauche nur noch einen, der mit mir beten kann. Junge, bete mal!« Da antwortet der Junge: »Ich habe in der Hitler-Jugend Fluchen gelernt, aber nicht Beten.«
Und dann ist er zum Hauptmann gelaufen und hat gesagt: »Hauptmann, kommen Sie mal!« Der Hauptmann kniet bei dem Manne nieder, dem der Leib aufgerissen ist und dem die Gedärme herauskommen: »Was willst du Kamerad?« »Hauptmann, ich muss sterben. Beten Sie mit mir!« »Himmel«, ruft der Hauptmann, »beten kann ich nicht.«
Und dann holt der Hauptmann einen Oberleutnant. Und schließlich stehen diese gestandenen Männer da, die sich einen Stiefel darauf einbilden, was sie doch für Kerle sind, die jeden dreckigen Witz erzählen können, die fluchen können – und nicht einer kann beten. Nicht einmal ein einfaches Vaterunser kriegen sie heraus.
Der Junge sagte mir: »Ich habe da gestanden und gedacht: ›Wenn ich aus diesem dreckigen Krieg herauskomme, dann ist das Erste, was ich mache, dass ich irgendwo hingehe, wo ich das Beten lernen kann. Ich möchte nicht so elend verrecken wie dieser Mann!‹«
Wilhelm Busch – Jesus unser Schicksal, Seite 125