War Theophilus ein Hoher Priester?

Sowohl das Lukasevangelium als auch die Apostelgeschichte ist an Theophilus gerichtet. Er soll anhand der Berichte prüfen, ob das Zeugnis der Gläubigen zuverlässig ist. War Theophilus vielleicht ein Hoher Priester des Sanhedrin?

Möglicherweise handelt es sich nämlich bei Theophilus um Theophilus ben Ananus, Hohepriester des Tempels in Jerusalem in den Jahren 37-41. In dieser Tradition wäre Theophilus ein Sadduzäer gewesen. Das würde ihn zum Sohn von Annas und Schwager von Kaiphas machen, der im jüdischen Tempel aufgewachsen ist und eine sehr unrühmliche Rolle bei der Emrordung Jesu spielte.

Bei Josephus Flavius lesen wir, dass von 37-41 Theophilus ben Ananus Hoher Priester in Jerusalem war.

Vitellius also rüstete sich zum Kriege gegen Aretas, zog zwei Legionen Schwerbewaffnete, alle dazugehörige leichte Mannschaft sowie die von den verbündeten Königen gestellte Reiterei an sich, eilte auf Petra zu und gelangte zunächst nach Ptolemaïs. Als er aber von hier aus mit seinem Heere durch Judäa marschieren wollte, kamen ihm die vornehmsten Männer entgegen und baten ihn, diesen Weg nicht zu benutzen, da es nach ihrem Gesetze verboten sei, Bilder, deren sich viele auf den Feldzeichen befanden, durch das Land zu tragen. Vitellius gab diesen Bitten nach, änderte seine Absicht, ließ sein Heer durch die große Ebene* ziehen und begab sich selbst mit dem Tetrarchen Herodes und seinen Freunden nach Jerusalem, um hier, weil gerade ein jüdisches Fest bevorstand, Gott ein Opfer darzubringen. Als er daselbst anlangte, bereiteten ihm die Juden einen ehrenvollen Empfang. Er hielt sich dann drei Tage in Jerusalem auf, setzte während dieser Zeit den Hohepriester Jonathas ab und übertrug die Würde an dessen Bruder Theophilus. Als er dann am vierten Tage einen Brief aus Rom erhielt, der ihm den Tod des Tiberius meldete, verpflichtete er sogleich das Volk eidlich für Gajus (Caligula). Hierauf berief er das Heer zurück und ließ dasselbe Winterquartiere beziehen, da er jetzt nach des Gajus Thronbesteigung keine Vollmacht zur Kriegführung mehr zu haben glaubte.

Josephsu Jüdische Altertümer Kap. 18, 5

Über die Absetzung des Hohenpriesters Theophlius kann man folgendes lesen:

Und als Agrippa alle Pflichten der göttlichen Anbetung erfüllt hatte
entfernte er Theophilus, den Sohn von Ananus aus dem Hohen Priestertum; und verlieh diese Ehre seinem Sohn, dem Sohn von Boethus, dessen Name auch Cantheras war: dessen Tochter König Herodes heiratete, wie ich oben erwähnt habe.

Josephus, Jüdische Altertümer Kap 19,6,22

In den 1980er Jahren wurde ein Knochenkasten gefunden, auf dem die Inschrift „Johanna, die Enkelin von Theophilus, dem Hohen Priester“ angebracht war. Der Vater von Johanna und der Sohn von Thophilus hieß Jonathan.

By Dan Barag and David Flusser – Text auf dem Knochenkasten. The Ossuary of Yehoḥanah Granddaughter of the High Priest Theophilus, CC BY 2.5

Eine Frau mit dem Namen Johanna erscheint im Neuen Testament zweimal, beides mal bei Lukas. Johanna wurde durch Jesus geheilt und war vor der Auferstehung mit Maria am Grab Jesu.

Und es geschah danach, dass er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf zog, wobei er das Evangelium vom Reich Gottes verkündigte; und die Zwölf waren mit ihm, und auch etliche Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt worden waren: Maria, genannt Magdalena, von der sieben Dämonen ausgefahren waren, 3 und Johanna, die Frau Chusas, eines Verwalters des Herodes, und Susanna und viele andere, die ihm dienten mit ihrer

Lukas 8,1-3

Es waren aber Maria Magdalena und Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, am Grab.

Lukas 24,10

Es ist natürlich nur ein Gedanke, aber dafür dass es sich um die gleiche Personen handeln könnte, spricht, dass nur Lukas die Johanna erwähnt, dass Johanna offensichtlich gesellschaftlich höher gestellt war und dass es sich bei Theophilus, an den das Lukasevangelium gerichtet ist, um einen sehr angesehenen Mann handelt, was sich aus dessen Anrede im Lukasevangelium ergibt. Denn dort wird Theophilus mit einem solchen Ehrentitel angeredet, der nur herausragenden Personen zugedacht war.