1929 erschien Alfred Döblins erfolgreichster Roman, «Berlin Alexanderplatz», der ihn weltberühmt machte. Es ist die Geschichte des naiven und ausgebeuteten Ex-Häftlings Franz Biberkopf, eines «einfachen Mannes». Die Erkenntnis des Franz Biberkopf am Ende seines Lebens steht im Roman von Anfang an fest: Man fängt nicht sein Leben mit guten Worten an, mit Erkennen und Verstehen fängt man es an und mit dem richtigen Nebenmann
Ein Jahrzehnt später erkannte Alfred Döblin, dass der «richtige Nebenmann» für alle Menschen derselbe ist: Jesus Christus.
Eine ganz neue Welt eröffnete sich Döblin, als seine alte Welt untergegangen war. Auf der Flucht vor den Nazis hatte der 61-Jährige in einer südfranzösischen Kirche eine Jesus-Begegnung.
Ich fühle: Oh, du! Ich bin auf der Flucht, da ist man gehetzt, und es gibt Grauen. Aber was ist das, verglichen mit dem Grauen, durch das du hast gehen müssen auf unserer Erde, unter uns Menschen.»
In der Folgezeit erschließt sich Döblin der Sinn des Daseins und der göttliche Plan, der hinter allem steht: «Jesus wollte die Menschen einrenken, in ihre ursprüngliche Beziehung zum göttlichen Grund ihres Daseins bringen.»
Döblin gelingt die Flucht in die USA. Er lässt sich dort taufen, tritt in die katholische Kirche ein.
Den Gedankengang, der ihn vom Unglauben zum Glauben führte, dokumentierte Döblin in seinem eindrucksvollen Ein-Mann-Religionsgespräch «Der unsterbliche Mensch»
«Wer», fragt Döblin, «könnte auch nur in seiner Fantasie eine solche Liebe konzipieren wie die, welche Gott bestimmte, sich selbst an das Marterholz zu hängen für die Menschheit?»
Seine Umkehr stößt, wie dies auch bei Heinrich Heine und anderen der Fall war, auf Ablehnung und Spott. 1943 trifft sich ein ausgewählter Kreis emigrierter Geistesgrößen, um in einem Theater von Los Angeles den 65. Geburtstag von Döblin zu feiern. Die Schriftsteller Lion Feuchtwanger, Thomas und Heinrich Mann sind da, die Musiker Arnold Schönberg und Hanns Eisler, die Schauspieler Fritz Kortner und Peter Lorre, das Theatergenie Bertolt Brecht und seine Frau Helene.
Sie wollen Döblin ehren, aber der Schriftsteller will Christus die Ehre geben. Während der Zeremonie geht er auf die Knie und singt mit zittriger Stimme ein Kirchenlied. Viele Gäste sind entsetzt. Bertolt Brecht schreibt ein Gedicht mit dem Titel «Peinlicher Vorfall».
Er hält Döblin für senil, seine Hinwendung zu Gott für eine Kapitulation.
Nach dem Krieg geht es Döblin wie vielen christlichen Kulturschaffenden. Die Kollegen können mit seiner Spiritualität nichts anfangen, die auf einfache, leicht erbauliche Kost ausgerichteten Kirchenchristen aber auch nicht. Döblin sitzt zwischen den Stühlen.
Sein Zeugnis stößt kaum auf Interesse. Für die meisten Deutschen steht die Rückkehr zu Wohlstand und Ansehen im Vordergrund.
Auf seinem Grabstein steht: Fiat voluntas tua – Dein Wille geschehe.
(inspiriert durch Markus Spieker, Jesus – eine Weltgeschichte – gekürzt)