Als Jesus etwa 18 Jahre alt war, erschütterte die Nachricht vom Tod des Augustus auch die galiläische Welt. Seine Pechsträhne hatte in den letzten Jahren angehalten. Seine zwei Favoriten für die Cäsar-Nachfolge, die Enkel Gaius und Lucius, waren überraschend gestorben. Damit blieb nur sein ungeliebter Stiefsohn Tiberius übrig, ein steifer und etwas verschrobener Soldatentyp, dem das geschmeidige Diplomatentalent von Augustus völlig fehlte.
Tiberius war 55 Jahre alt, als er zum Kaiser ernannt wurde. Sofort überboten sich die römischen Verbündeten darin, ihm zu schmeicheln. Auch Antipas, der die Hoffnung auf eine Ernennung zum König noch nicht aufgegeben hatte, legte sich ins Zeug. An der Westseite des Sees Genezareth gründete er, ungefähr dreißig Kilometer von Sepphoris und Nazareth entfernt, seine neue Hauptstadt, die er «Tiberias» nannte, Tiberius-Stadt.
Das landschaftliche Premium-Gelände, auf dem Herodes die Stadt gründete, war aber mit einer schweren Hypothek belastet. Unter der Erde befanden sich zahlreiche Gräber. Für fromme Juden war Tiberias damit unrein. Sie machten einen Bogen um die Luxus-Siedlung. Mit allerlei Anreizen versuchte Herodes nun, Juden dennoch zur Ansiedlung zu bewegen. Diejenigen, die seinem Ruf folgten, waren aus Sicht der Pharisäer gesetzloses Gesindel. Als frommer Jude wird auch Jesus Tiberias meiden. Keiner der Evangelisten berichtet etwas von einem Aufenthalt.
Herodes Antipas bekam in Tiberias bald Gesellschaft aus der eigenen Familie. Sein Neffe Agrippa und dessen Tochter Berenike zogen in die Viertelfürstenvilla. Nazareth war damit vom Hauptstadt-Vorort endgültig zum Provinzkaff heruntergestuft.