Allversöhnungslehre (Zusammenfassung)

Zu den Ersten, die über die Möglichkeit einer universalen, pauschalen Absolution nachdachten, gehörte der Theologe Origenes, der vielleicht klügste christliche Kopf der ersten dreihundert Jahre. Jedenfalls war kein anderer Christ als Schriftsteller so emsig und so originell. Origenes war sicher ein überzeugter Christ. Aber für ihn gilt dasselbe wie für alle hochgebildeten Vielschreiber: Wer einen hohen Output hat, produziert manchmal auch Unausgegorenes.

Origenes lebte im 3. Jahrhundert, also zu einer Zeit, als Christen noch im Römischen Reich verfolgt wurden. Seiner Idee von einer Erlösung aller Menschen, Christen wie Nichtchristen, lag ein philosophisches Harmoniebedürfnis zugrunde. Wenn reine Liebe der Ursprung allen Seins war, so dachte Origenes, dann durfte am Ende allen Seins auch nur Liebe übrigbleiben. Für eine ewige Verlorenheit von Menschen war in diesem Szenario kein Platz.

Origenes vertiefte den Gedanken nicht weiter. Sein dogmatischer Universalismus führte bei ihm persönlich zu keinem ethischen Relativismus. In seinem Bemühen, ein treuer Jesus-Nachfolger zu sein, schoss er sogar über das Ziel hinaus: Weil er keinen anderen Ausweg sah, sich vor sexuellen Versuchungen zu schützen, kastrierte er sich selbst.

Wie schon sein Vater starb Origenes für seinen Glauben. Trotz schwerer Folter hatte er sich geweigert, Jesus zu verleugnen.

Wirklich populär wurde die «Allversöhnungslehre» erst in der Neuzeit. Der protestantische Theologe Karl Barth kokettierte damit, ebenso sein katholischer Kollege Hans Urs von Balthasar, wie auch einige prominente Pietisten, unter anderem Friedrich Christoph Oetinger und Johann Christoph Blumhardt. Sie begründeten ihre Auffassung weniger mit Bibelstellen als mit der Logik:

Wenn Gott die Liebe ist und alleine die Liebe ewig währt, dem Bösen, dem Tod, dem Leid aber eine Frist gesetzt ist – dann konnte es doch keine ewigen Höllenqualen geben und sei eine Begnadigung aller Sünder doch nur konsequent.

Solche Überlegungen gingen freilich über die Tatsache hinweg, dass Jesus seinen Kreuzestod als Lösegeld «für viele», aber wohlgemerkt nicht «für alle» bezeichnet hatte.

Zu unterscheiden ist der «Universalismus» vom «Annihilationismus», also der Auffassung, dass die Verdammnis nicht immerwährende Qual bedeutet, sondern Auslöschung.

Wenn dem so wäre, was ist dann mit der Auffassung Calvins, dass einige Menschen schon vor ihrer Geburt von Gott zu ewiger Pein bestimmt wären? Würde die «Gute Nachricht», wenn dies zutrifft, diese Bezeichnung überhaupt verdienen?

«Und wenn ich dafür selbst in die Hölle komme – so ein Gott wird nie meinen Respekt bekommen!», schimpfte der Dichter John Milton.