Heinrich Heine – Widerruf eines Atheisten
Am 17. Februar 1856 starb der Dichter Heinrich Heine. Es gibt wohl wenige Persönlichkeiten in der Weltliteratur, die bis heute so verschieden beurteilt und so heiß umstritten worden sind wie Heine.
Er wurde 1797 in Düsseldorf geboren und war jüdischer Herkunft Anfangs zum Bankkaufmann bestimmt, widmete er sich später dem juristischen Studium in der Absicht, einmal Rechtsanwalt zu werden.
„Ein neues Lied, ein besseres Lied, o Freunde, will ich euch dichten: Wir wollen hier auf Erden schon das Himmelreich errichten. Wir wollen auf Erden glücklich sein und wollen nicht mehr darben; Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, was fleißige Hände erwarben, Es wächst hienieden Brot genug für alle Menschenkinder. Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, und Zuckererbsen nicht minder. Ja, Zuckererbsen für jedermann, sobald die Schoten platzen! Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.”
Heinrich Heine
Gerade durch dieses ungemein dreiste Spottlied hat Heine nicht nur bei den Freidenkern und Atheisten, sondern weit darüber hinaus eine recht traurige Berühmtheit erlangt. Mag Heine einst auch ein gefeierter Sänger der Liebe und der Freiheit gewesen sein; ein bezaubernder Dichter, ein scharfsinniger Kritiker, ein gefährlicher Spötter, ein begehrter Journalist, kurzum ein hervorragender Beherrscher von Sprache und Stil; – aber alle diese ruhmvollen Auszeichnungen sind überschattet von jener dunklen Geistesrichtung, die in der Lossagung von Gott ihren höchsten Ruhm erblickt.
Als ein Dichter der kritischen Vernunft und der praktischen Gottlosigkeit, als ein geistreicher und leichtfertiger Spötter ist Heine in die Geschichte eingegangen.
Man würde jedoch dieses weithin im Unglauben verbrachten Dichterlebens nicht ganz gerecht werden, wollte man sein eigentliches Ende und die damit verbundene Reue des Sterblichen“, die über ihn gekommen war, verschweigen. Heine war die letzten zehn Jahre seines Erdenlebens durch einen Schlaganfall zu qualvollem Krankenlager verurteilt.
In dieser Leidensschule hat sich bei ihm eine tiefe innere Wandlung vollzogen. Wohl hat er sich anfangs gegen das harte Schicksal aufgebäumt mit dem verzweifelten Ausruf: „Ein lebendig Begrabener schreit durch die Nacht!“
Aber wenige Jahre vor seinem Tode hat er dann im Nachtwort zu seinem „Romanzero“ (1851) den ganzen Irrweg seines Unglaubens schmerzlich bereut
Dort bekennt er offen diese innere Wandlung mit den Worten:
„Wenn man auf dem Sterbebette liegt, wird man sehr empfindsam und weichselig und möchte Frieden machen mit Gott und der Welt. Seit ich selbst der Barmherzigkeit Gottes bedürftig bin, habe ich allen meinen Feinden vergeben. Gedichte, die nur halbwegs Anzüglichkeiten gegen den lieben Gott selbst enthielten, habe ich mit ängstlichem Eifer den Flammen überliefert. Es ist besser, daß die Verse brennen als der Versemacher. Ja, wie mit der Kreatur, habe ich auch mit dem Schöpfer Frieden gemacht, zum größten Ärgernis meiner aufgeklärten Freunde, die mir Vorwürfe machten über dieses Zurückfallen in den alten Aberglauben, wie sie meine Heimkehr zu Gott zu nennen pflegten. Andere, die keine andere Meinung als die ihre duldeten, äußerten sich noch herber. Alle hohen Männer des Atheismus haben ihren Fluch über mich ausgesprochen, und es gibt fanatische Pfaffen des Unglaubens, die mich gerne auf die Folter spannten, damit ich meine Ketzereien bekenne. Zum Glück stehen ihnen keine anderen Folterinstrumente zur Verfügung als ihre Schriften. Aber ich will auch ohne Zwang alles bekennen. Ja, ich bin zurückgekehrt durch Jesus Christus zu Gott, wie der verlorene Sohn in der Bibel, nachdem ich lange Zeit bei den Hegelianern die Schweine hütete. Das himmlische Heimweh überfiel mich und trieb mich fort durch Wälder und Schluchten, über die schwindligsten Bergpfade der Gegensätze und Widersprüche.“
Heinrich Heine
Diese Rückkehr und Heimkehr des Dichters „zu einem persönlichen Gott in Jesus Christus“, wie er es selber ausspricht, hat ihn jedoch nicht in den Schoß irgendeiner Kirche zurückgeführt. Ausdrücklich stellt er hierzu fest:
„Kein Glockenklang hat mich gelockt, keine Altarkerze hat mich geblendet“
Der Dichter Heinrich Heine merkte, als er schwer erkrankte, dass der «Weltgeist» ihm wenig Trost und noch weniger Hoffnung geben konnte.
«Ich bin zurückgekehrt zu Gott, wie der verlorene Sohn, nachdem ich lange Zeit bei den Hegelianern die Schweine gehütet», schrieb er 1851 im Vorwort zu einer Gedichtsammlung.
In einem Brief an einen Freund konkretisierte er den Sinneswandel.
«Ich habe nämlich, um dir die Sache mit einem Worte zu verdeutlichen, den Hegel’schen Gott oder vielmehr die Hegel’sche Gottlosigkeit aufgegeben und an dessen Stelle das Dogma von einem wirklichen, persönlichen Gott, der außerhalb der Natur und des Menschengemütes ist, wieder hervorgezogen.»
In der Vorrede zur 2. Auflage der Geschichte der Religion und Philosophie gibt der deutsche Dichter Heinrich Heine Auskunft, wie er zu Gott zurückfand. Er wies neugierige Fragen zu seiner Bekehrung ab, gibt jedoch eine Antwort, die es in sich hat. Er schrieb 1852 in Paris (zitiert aus: W.R. Brauer, Heinrich Heines Heimkehr zur Gott, 1981, S. 32, das Zitat ist auch hier zu finden):
In der Tat, weder eine Vision, noch eine seraphitische Verzückung, noch eine Stimme vom Himmel, auch kein merkwürdiger Traum oder sonst ein Wunderspuk brachte mich auf den Weg des Heils. Ich verdanke meine Erleuchtung ganz einfach der Lektüre eines Buches. — Eines Buches? Ja, und es ist ein altes, schlichtes Buch, bescheiden wie die Natur, auch natürlich wie diese; ein Buch, das werkeltägig und anspruchslos aussieht, wie die Sonne, die segnend und gütig uns anblickt wie eine alte Großmutter, die auch täglich in dem Buche liest, mit den lieben, bebenden Lippen, und mit der Brille auf der Nase — und dieses Buch heißt auch ganz kurzweg das Buch, die Bibel. Mit Fug und Recht nennt man diese auch die Heilige Schrift; wer seinen Gott verloren hat, der kann ihn in diesem Buche wiederfinden, und wer ihn nie gekannt, dem weht hier entgegen der Odem des göttlichen Wortes