Als Hauptstadt eines kleinen Imperiums spielte Athen im 5. Jahrhundert v. u. Z. zwar in militärischer Hinsicht und als Seemacht eine gewisse Rolle, vor allem aber war es als Mittelpunkt griechischer Gelehrsamkeit, Literatur und Kunst bekannt. Es entwickelte sich zu einer Universitätsstadt, in der es von Professoren, Dozenten und Philosophen wimmelte. Athen war die Heimat berühmter Philosophen wie Sokrates, Platon und Aristoteles. Es gab dort vier Philosophenschulen: die Platonische Akademie, den Peripatos, die Schule des Epikur und die Stoa (Apg 17:18), und Schüler kamen zu römischen Zeiten aus dem ganzen Reich.
Athen war auch eine sehr religiöse Stadt, weshalb der Apostel Paulus sagte, die Athener seien anscheinend „mehr als andere der Furcht vor Gottheiten hingegeben“ (Apg 17:22). Nach dem Historiker Josephus galten die Athener „als die frömmsten Hellenen“ (Gegen Apion, 2. Buch, Abs. 11). Der Staat überwachte und förderte die Religion, indem öffentliche Opferdienste, Riten und Prozessionen zu Ehren der Götter auf Staatskosten durchgeführt wurden. Götzenbilder standen in Tempeln, auf öffentlichen Plätzen und an Straßen, und man betete stets zu den Göttern, bevor man an einem „Symposion“ (einem Trinkgelage mit philosophischen Gesprächen), an einer politischen Versammlung oder an einem Sportwettkampf teilnahm. Um ja keinen der Götter zu beleidigen, errichteten die Athener sogar Altäre mit der Aufschrift: „Einem unbekannten Gott“. Auf diese Tatsache wies Paulus gemäß Apostelgeschichte 17:23 hin. Auch Pausanias, ein griechischer Schriftsteller, der im 2. Jahrhundert lebte, bestätigt das. Er berichtet, daß er auf dem Weg vom Hafen von Phaleron nach Athen (den Paulus nach seiner Ankunft möglicherweise ebenfalls ging) „Altäre der Götter und Heroen mit dem Beinamen der Unbekannten“ gesehen habe (Pausanias’ Beschreibung von Griechenland, aus dem Griechischen übersetzt von Dr. J. H. Ch. Schubart, 1. Buch, Attika, Kap. 1, Abs. 4).
Das hohe kulturelle Niveau trug aber nicht zur Hebung des sittlichen Niveaus der Athener bei, denn nach der griechischen Mythologie frönten die Götter und Göttinnen, die dadurch geehrt wurden, selbst jedem Laster und verübten jedes erdenkliche Verbrechen. In den Tagen des Apostels Paulus kritisierte der griechische Philosoph Apollonios die Athener wegen ihrer orgiastischen Tänze bei den Festen zu Ehren des Dionysos (Bacchus) und wegen ihrer Blutrünstigkeit in Verbindung mit den Gladiatorenkämpfen.