Aleister Crowley (Zusammenfassung)

Edward Alexander, wie er ursprünglich hieß, wurde 1875 in England geboren. Wie Nietzsche kam auch er aus einem christlichen Elternhaus. Sein Vater war Laienprediger und eine Führungspersönlichkeit in der sogenannten Brüderbewegung, den «Plymouth Brethren». Als er starb, war Edward elf Jahre alt. Hatte der Predigersohn sich bis dahin mustergültig verhalten, mutierte er in der Pubertät zum wüsten Rebellen.

In der Brüdergemeinde wurde viel Wert auf einen heiligen Lebenswandel gelegt, außerdem das baldige Ende der Welt erwartet. Im biblischen «Buch der Enthüllung» glaubte man eindeutige Hinweise darauf zu finden. Auch Edward war von dem Buch fasziniert, aber auf ganz andere Weise. Er identifizierte sich mit dem «großen Tier» und dessen Zahl «666», auch mit dem angekündigten «Antichristen». Entsprechend groß war seine Verehrung für den Autor des gleichnamigen Buchs: «Nietzsche ist ein Prophet», schwärmte Crowley und verstieg sich dazu, ihn als Erscheinung des altägyptischen Weisheitsgottes Thot zu verehren.

Was der sächsische Gelehrte nur in der Theorie beschrieben hatte, lebte der englische Träumer Crowley aus. Dabei kam ihm zugute, dass sein Vater ihm ein Millionenvermögen vermacht hatte. Als Student nannte Edward sich um in Aleister. Er experimentierte mit Drogen, gab sich sexuellen Ausschweifungen mit Frauen und Männern hin, übte sich in okkulten Praktiken. Er war 29 Jahre alt, als er in Ägypten ein dämonisches Erweckungserlebnis hatte. Angeblich kündigte ihm ein Geist ein neues Zeitalter an, ernannte ihn zum Propheten dieses Zeitalters und diktierte ihm ein «Buch des Gesetzes», das die biblischen Gebote ablösen sollte. Das Gesetz, das über allen anderen stehen sollte, lautete:

«Tu, was du willst.»

Crowley brachte damit auf den Punkt, was manche sich fromm tarnende Hedonisten nicht wahrhaben wollen: Satanismus und Selbstvergötzung, Teufelsanbetung und Ego-Kult sind ein und dasselbe, führen aber nicht in die Potenzierung des Ichs, sondern ins Nichts.

Nach einem Leben voller Exzesse starb Aleister Crowley, nicht wahnsinnig, aber nahe dran, wie seine letzten Worte zeigen: «Ich bin verwirrt.» Seine Biografen gehen inzwischen davon aus, dass er an einer bipolaren Störung litt und sein übersteigerter Narzissmus krankhafter Natur war.

Zu seiner Beerdigung kamen zwölf Menschen. Was ihn überlebte, war sein Mantra. «Tu, was du willst» ist der Subtext und manchmal sogar die offene Botschaft von Hollywoodfilmen und Popsongs. John Lennon bezeichnete «Tu, was du willst» als die zentrale Botschaft der Beatles. Crowley zollten die Beatles dadurch Tribut, dass sie ihn auf ihrem berühmtesten Album abbildeten: «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band», auf dem sich unter anderem der Song «All You Need Is Love» befindet.

Fragt sich nur, welche Liebe.

Eros oder Agape?

Ein Charakteristikum der Ego-Propheten ist ihre toxische Wirkung. Nicht nur auf die Nachwelt, sondern auch auf ihr persönliches Umfeld. De Sade, Nietzsche und Crowley waren Menschen, die auf den ersten Blick faszinierten, bei denen sich viele Bekannte aber später wünschten, rechtzeitig auf die andere Straßenseite gewechselt zu sein.