Der jüdische Historiker Josephus, der sich um das Jahr 100 u. Z. in seinem Werk Gegen Apion (1. Buch, Abs. 8, übersetzt von H. Paret, Stuttgart 1856, S. 756, 757) vor Gegnern verteidigte, bestätigte, daß damals der Kanon der Hebräischen Schriften schon lange Zeit festgelegt war. Er schrieb: „Bei uns gibt es nicht unzählige widersprechende und sich gegenseitig widerlegende Bücher, sondern nur zweiundzwanzig, welche die ganze Vergangenheit schildern und mit Recht für göttlich gehalten werden. Fünf derselben sind von Moses; sie enthalten die Gesetze und die Geschichte vom Ursprung des Menschengeschlechts bis zu Moses Tode. . . . Von Moses Tode an bis zur Herrschaft des Perserköniges Artaxerxes, des Nachfolgers von Xerxes, haben die auf Moses gefolgten Propheten das zu ihrer Zeit Geschehene in 13 Büchern beschrieben; die übrigen vier enthalten Loblieder auf Gott und Ermahnungen für das Leben der Menschen.“
Josephus bezeugte diese allgemeine jüdische Einstellung zu den Apokryphen, wenn er sagte: „Die Zeiten von Artaxerxes an bis auf unsere Tage sind im Einzelnen beschrieben; die betreffenden Bücher aber genießen nicht das gleiche Ansehen wie die früheren, weil es da an der genauen Aufeinanderfolge der Propheten fehlte. Ein thatsächlicher Beweis für das Vertrauen welches jene volksthümlichen Schriften bei uns genießen, liegt in Folgendem. Im Verlauf dieser vielen Jahrhunderte hat noch Niemand gewagt, an jenen Büchern durch Zusätze, Auslassungen oder anderweitige Aenderungen sich zu vergreifen. Alle Juden saugen vielmehr gleichsam mit der Muttermilch den Glauben an deren göttlichen Ursprung und den Vorsatz ein, ihnen treu zu bleiben und, wenn es sein muß, mit Freuden für sie in den Tod zu gehen“ (Gegen Apion, 1. Buch, Abs. 8, übersetzt von H. Paret, Stuttgart 1856, S. 757).
Diese lange Zeit geschichtlich belegte Haltung der Juden gegenüber dem Kanon der Hebräischen Schriften ist angesichts dessen, was Paulus an die Römer schrieb, sehr bedeutungsvoll. Den Juden, sagte der Apostel, „[wurden] die heiligen Aussprüche Gottes anvertraut“, was das Schreiben und Schützen des Bibelkanons einschloß (Rö 3:1, 2).