2011 erschien eine wissenschaftliche Arbeit, die einen „50.000 Generationen Gruß an Charles Darwin“ in ihrem Titel trug (Richard E. Lenski: „Evolution in action – a 50.000 Generation Salute to Charles Darwin“ Microbe 6, S. 30-33, 2011). Der Autor Richard Lenski (Michigan State Universität, USA) berichtet von einem Langzeitexperiment mit Mikroorganismen, die bald darauf die 60.000. Generation erreicht haben werden.
Das Besondere dieses wissenschaftlichen Berichts liegt in der Ausnutzung der Eigenschaft bestimmter Mikroorganismen (hier: Bakterien), sich unter idealen Bedingungen (z.B. im Labor) sehr schnell zu vermehren und so an einem einzigen Tag sechs bis sieben Generationen zu durchlaufen. Damit kommen in einigen Jahren sehr viele Generationen zusammen, die untersucht und miteinander verglichen werden können. Ein Langzeitexperiment, das geeignet ist, Evolutionsvorgänge aufzuzeigen, also die Weiter- und „Höherentwicklung“ von Organismen nach dem Prinzip des Zufalls und der Selektion zu untersuchen (zum Vergleich: ein Freilandexperiment mit einer Eidechsen-Art umfasste 15 Generationen in 15 Jahren. 60.000 Generationen entsprechen in diesem Sinne ca. 1 Millionen Jahre Evolution des Menschen). Und Zeit ist im Rahmen der evolutiven Deutung der Lebensentstehung und -entwicklung kritisch, ja sogar sehr kostbar. Denn es werden mehrere hundert von Millionen Jahren angenommen, die es brauchte, um von den ersten molekularen Strukturen, die eine biochemische Informationsverarbeitung zuließen zu jenen Organismen zu gelangen, die fähig sind, den vorliegenden Artikel zu schreiben bzw. zu lesen. So sollte es mit dem Ansatz von Richard Lenski möglich sein, evolutive Veränderungen im Labor darstellen zu können.
Die bis 2013 veröffentlichten und debattierten Ergebnisse zeigen, dass es bisher nicht gelungen ist, eine neue Eigenschaft im Sinne einer zu Beginn des Experiments bei den Bakterien noch nicht vorhandenen Funktion nachzuweisen. Es wurde ein besonderer Fall diskutiert, der auf eine ganz neue Stoffwechseleigenschaft eines der Bakterienstämme hinzuweisen schien, doch konnte bei genaueren Nachuntersuchungen festgestellt werden, dass die sog. evolutionäre Neuheit auf eine Veränderung der Genregulation zurückzuführen war, also auf einer Variation schon vorhandener Möglichkeiten beruhte. Ein noch nicht erklärbarer Befund dieses Langzeitexperiments ist das Auftauchen von Stämmen, die eine erhöhte Veränderungsrate ihres Genoms aufweisen, ohne jedoch, verglichen mit den anderen Stämmen, die diese Eigenschaft nicht aufweisen, neue oder bessere Überlebensfähigkeiten zu generieren. Sie zeigen dazu eine Zunahme ihrer relativen Wachstumsrate, die anhält und noch keine Erklärung gefunden hat. In der Diskussion über diesen Befund ist jedoch die Meinung eindeutig, dass diese Steigerung nicht mit evolutionärer Neuigkeit gleichzusetzen ist. Der Biochemiker Michael Behe macht darauf aufmerksam, dass einige dieser Stämme ihre Fähigkeit durch die Ausschaltung zweier Stoffwechselkatalysatoren erlangten. Somit wäre diese evolutionär vorteilhafte Entwicklung eine Rückentwicklung – „ein schlechtes Omen für jegliche Theorie der Evolution, die sich allein auf blinde, ungerichtete Prozesse verlässt“ (Behe 2013, zitiert nach Daniel Vedder, 25 Jahre Evolution in vitro, Studium Integrale Journal, 21. Jahrgang, Heft 1, Mai 2014, S. 36ff.).