Die Erzählung vom Sündenfall stellt für Kafka kein teuflisches Geschick dar, sondern ist das Ergebnis menschlicher Schwäche: „Wegen der Ungeduld sind sie ausgewiesen worden und wegen der Ungeduld kehren sie nicht zurück“.
Die Stammeltern Adam und Eva wollten zu viel und zu schnell. Die Vertreibung aus dem Paradies ist laut Kafka für die Menschen endgültig, das Leben in der Welt unausweichlich“. Für ihn gibt es keine messianische Befreiung, keine christliche „Rückgewinnung des Paradieses“, wie sie zum Beispiel der englische Dichter John Milton vor ihm als Triumph Jesu über den Teufel in Aussicht stellte.
Es könnte sich zum Guten wenden
Trotzdem scheint selbst bei Kafka immer wieder die Hoffnung auf, dass sich die Dinge noch zum Guten wenden könnten. So vergleicht er an einer anderen Stelle seines Oktavhefts die Situation der Menschen mit Reisenden, die in einem Eisenbahntunnel verunglückt sind. Von der Unfallstelle aus können sie das Licht des Tunneleingangs nicht mehr sehen.Währenddessen ist das Licht am Ende des Tunnels aber so schwach, dass sie ihre Augen anstrengen müssen, um es nicht aus dem Blick zu verlieren:
„Rings um uns aber haben wir in der Verwirrung der Sinne oder in der Höchstempfindlichkeit der Sinne lauter Ungeheuer und ein je nach der Laune und Verwundung des Einzelnen entzückendes oder ermüdendes kaleidoskopisches Spiel.“
Das Licht von draußen, das Heil verspricht, ist zwar schwach. Aber wenn die Menschen sich bemühen und nicht täuschen lassen, können sie es sehen. Auch in Kafkas Leben bricht dieses schwache Licht, das so mühsam zu erfassen ist, immer wieder ein.
Am 20. Juli 1916 in sein Tagebuch: „Erbarme Dich meiner, ich bin sündig bis in alle Winkel meines Wesens. […] Schiebe mich nicht zu den Verlorenen“. Der säkulare Jude Kafka wird zum Betenden, der auf Erlösung hofft.
Doch der Messias kommt nicht und so bleiben wir Verunglückte, unsere Vertreibung aus dem Paradies dauert auf ewig an.