Die Ausbreitung des Nestorianismus

Links

Nestorianismus

Nestorius war bis 431 Patriarch von Konstantinopel. Die von ihm vertretene Lehre wurde auf dem Konzil von Ephesos 431 verurteilt.

Wegen Verfolgung wanderten viele seiner Anhänger bis 489 ins persische Sassanidenreich aus, wo es zu dieser Zeit bereits eine relativ große Anzahl von Christen gab (wenn sie auch nie die Mehrheit bildeten). Wichtige Informationen dazu enthält die so genannte Chronik von Seert. Die sich formierende Kirche in Persien wurde oft als nestorianische Kirche bezeichnet – sie hatte mit Nestorius jedoch wenig gemein und sollte deshalb besser als ostsyrische Kirche bzw. als assyrische Kirche des Ostens bezeichnet werden. Sie stand jedoch der römischen Reichskirche von nun an feindlich gegenüber, so dass die mit dem römischen Reich verfeindeten persischen Könige fortan den persischen Christen wesentlich wohlwollender gegenüberstanden, wenn es auch vereinzelt zu Übergriffen kam. Weil die alten Zentren Konstantinopel, Alexandria und Antiochia am Orontes nicht erreichbar waren, wurde Edessa, das heutige Urfa (bzw. Şanlıurfa) im Südosten der Türkei, das „nestorianische“ Zentrum. Sitz des Katholikos war Ktesiphon.

Trotz manchen Behinderungen konnte sich über die Seidenstraße, die auch durch Edessa führte, eine Missionstätigkeit entfalten. Die nestorianischen Händler nahmen nicht nur Waren, sondern auch ihre Religion und ihre Überzeugungen mit nach Osten. Christliche Gemeinden entstanden unter den Turkvölkern in Zentralasien, in der Mongolei, in Sibirien und in Xinjiang, im Nordwesten der heutigen Volksrepublik China. Bereits 635 erreichte Aloben als einer der ersten nestorianischen Mönche die chinesische Handelsmetropole Xi’an (西安). 779 wurde im westlichen China ein Denkmal errichtet, das von der Einführung der großen „leuchtenden Religion aus Daqin (Rom)“ berichtete – die sogenannte Nestorianische Stele findet sich im heutigen Xi’an. Spuren dieser Missionstätigkeit wurden auch in Japan im 9. Jahrhundert dokumentiert, auf Sumatra, Indien und Sri Lanka entdeckt.

Der franziskanische Missionar Johannes de Plano Carpini reiste 1245 bis 1247 in päpstlichem Auftrag zum Großkhan in die Mongolei und berichtete nach seiner Rückkehr nach Lyon auch von den dort angetroffenen nestorianischen Christen. In der mongolischen Hauptstadt Karakorum befand sich um 1250 eine nestorianische Kirche. Daher kann davon ausgegangen werden, dass das nestorianische Christentum im Mongolenreich bis um 1250 eine verbreitete Glaubensrichtung war und teilweise sogar am Hof des Großkhans eine gewisse Rolle gespielt hatte.[2]

Auf die Blütezeit dieser Kirche im 13. Jahrhundert folgte bald die nahezu vollständige Vernichtung durch den muslimischen Herrscher und Eroberer Timur Lenk (bzw. Tamerlan) im 14. Jahrhundert. Der Jesuitenpater Matteo Ricci stieß im 16. Jahrhundert in China auf Reste des Christentums. Als man 1625 die oben genannte Nestorianische Stele fand, hatte man damit die Erklärung, wieso Matteo Ricci bei seiner Missionstätigkeit christliche Elemente vorfinden konnte. Aber zugleich entkräftete dieser Fund den Vorwurf der Chinesen, die Missionare brächten etwas ganz Neues, ganz Fremdes in das Reich der Mitte. Die Stele bewies, dass der christliche Glaube schon vor langer Zeit in China Wurzeln geschlagen hatte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 wurden viele weitere Zeichen der nestorianischen Präsenz sichtbar und Manuskripte aus Zentralasien erforschbar