Marcel Rebiai – Suchst du Gott oder dich selber?

„Als ich meinen Freund aufgetan hatte, war er weg und fortgegangen.
Meine Seele war ausser sich, dass er sich abgewandt hatte. Ich suchte ihn,
aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht.“

Hohelied 5,6
Marc Chagall Hoheslied I

Diese Zeiten des Schweigens Gottes sind notwendig, damit unsere Liebe zu ihm echt werden kann. Wie reagierst du in diesen Zeiten? Gehst du wie diese Braut, die auf der Suche nach ihrem Geliebten der Welt zuruft: „Wenn ihr meinen Geliebten findet, sagt ihm, ich bin krank vor Liebe.“ (Hohelied 5:8)

Was erfüllt dein Herz, wenn es in notvolle Situationen kommt und geschlagen wird von Zweifeln, Spott und Verhöhnung, dass dein Geliebter nicht da ist? Bleibst du erfüllt von Sehnsucht nach ihm, unabhängig von deinen wechselhaften Gefühlen und von den Behauptungen der Welt? Hast du dieses Verlangen, bei ihm zu sein, wie es der Psalmist sagt: „Wenn du nicht bei mir bist, so vergeht mir alles, was ich habe.“ (Psalm 73:25)?

Oder ist es erfüllt von Wut und Enttäuschung, von Bitterkeit und Resignation? Wirfst du ihm vor, dass er dich im Stich lässt, weil er dich nach dem ersten Gefühlsrausch der Gottesbegegnung auf den schmalen, steilen Weg der Nachfolge schickt, im grauen Alltag? Hegst du Selbstmitleid, weil dein Weg hart und schwierig scheint, kreist du klagend um dich selbst, weil deine Bedürfnisse nach Wohlbefinden und Sicherheit nicht mehr gestellt werden? Dann wirst du bald das Handtuch werfen und andere Geliebte suchen. Oder bist du entschlossen, den steilen und schmalen Weg bis an’s Ende zu gehen – weil du wirklich ihn und nicht dich suchst?
Nur um am Ende wieder seine Stimme zu hören: „Du guter und getreuer Knecht, gehe ein zur Freude deines Herrn“?